Heute möchte ich von meinem SSA mit Mifegyne berichten. Dieser war vor einer Woche, rechnerisch war ich in der Woche 7+1, tatsächlich in 6+1. Kurz zu mir: Ich bin 23, am Ende der Ausbildung zur Erzieherin, den "Vater" hatte ich das 3. Mal gesehen, als ich schwanger wurde. Ich habe mir die Entscheidung gegen das Kind wirklich nicht leicht gemacht. Bis zur letzten Sekunde habe ich auf ein Zeichen des Himmels gewartet, das mir den richtigen Weg weisen würde. Aber dann nahm ich die Pille. Ich wusste, dass, egal, welche Entscheidung ich treffen würde, es immer die falsche sein würde: Entweder entscheide ich mich gegen das Leben meines Kindes oder gegen mein eigenes. Ich weiß, dass ich ein Kind hätte großziehen können, ich hätte auch Unterstützung gehabt, dennoch, es ist doch auch MEIN Leben, ich habe noch Träume, Pläne... Und zum Schluss... Der "Vater" wollte das Kind, aber als ich ihm sagte, ich würde es kriegen und ihm geben, machte er einen Rückzieher.
Ich hatte am Dienstag den ersten Termin zur Einnahme der ersten drei Tabletten. Ich war ganz alleine, wie gesagt, ich war mir nicht sicher, ob ich das Richtige tue. Ich weinte sehr viel und fragte die Ärztin nochmals, ob das Kind leiden würde. Als sie verneinte, atmete ich tief ein, verabschiedete mich von meinem Kind in Gedanken und nahm die Tabletten. Ich durfte nach Hause gehen. Auf dem Weg nach Hause setzte die Wirkung ein, mir wurde übel, so übel, dass ich dachte, ich müsste in die Straßenbahn kotzen. Aber irgendwie schaffte ich es, den Weg hinter mich zu bringen. Dann lag ich da, bereute, wollte es rückgängig machen, wollte die Tabletten auskotzen... Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, ich war nur am Heulen, redete mir ein, wie ich merkte, dass mein Kind in mir stirbt, dass ich ein schlechter Mensch sei, verdammt, bis in alle Ewigkeit in der Hölle zu schmoren. Ich weinte um mein Kind, ich weinte, weil ich mir selbst nicht zugetraut hätte, diesen Schritt zu gehen, betete... Die Übelkeit wurde schlimmer. Schließlich schlief ich vor lauter Erschöpfung ein. Als ich aufwachte, begann das Gleiche von vorne. Und immer wieder fühlte ich mich einsam und verlassen von der Welt. Niemand rief auch nur an, um sich nach mir zu erkundigen, außer meinem "Freund", der der Vater des Kindes hätte werden sollen, aber ich wollte nicht mit ihm sprechen - aus verschiedenen Gründen. Dann abends endlich rief mich meine Oma an, dann meine Mutter. Ich konnte nur schreien und wieder heulen, heulen, heulen - ich dachte, ich breche zusammen. Aber irgendwie schaffte ich es, mich zu beruhigen und dann klingelte es und mein Freund stand in der Tür (ich nenne ihn der Einfachheit halber jetzt einfach so). Er kam extra aus Berlin, um mich aufzufangen. Das erste Mal hatte er etwas richtig gemacht. Der nächste Tag verging, er kümmerte sich um mich, aber ich konnte die meiste Zeit nur rumliegen, mir war schwindelig und schlecht und mir grauste vor dem nächsten Tag. Früh um 8 am Donnerstag musste ich den anderen Wirkstoff in Tablettenform einnehmen. Wieder allein, denn zu meiner großen Enttäuschung wäre mein Freund nicht mal von alleine aufgestanden, um mich zu verabschieden, wenn ich ihn nicht darauf hingewiesen hätte... Die Schwester führte mich in der Praxis in einen Ruheraum, zeigte mir die Toilette und übergab mir mit dem Hinweis, dass ich nicht so viel liegen, sondern rumlaufen solle, zwei Tabletten. Bevor ich sie genommen hatte, war die Schwester schon aus dem Zimmer. Etwa 20 Minuten später fing die Wirkung an. Es fühlte sich an wie leichte Regelschmerzen, übel war mir sowieso noch. Nach weiteren 10 Minuten verstärkte sich die Übelkeit ins unermessliche, ich musste mich hinlegen, ich hätte nicht stehen können, sonst hätte ich mich übergeben. Die Schmerzen im Unterleib wurden nahezu unerträglich. Wenn es mir nur nicht so zum Kotzen gegangen wäre, wäre ich vielleicht zur Schwester gegangen, um sie zu bitten, mir eine Schmerztablette zu geben. Aber es ging nicht und es kam auch niemand, um nach mir zu sehen. Nach 1,5 Stunden konnte ich aufstehen, ich lief rum und die Blutungen setzen ein, erst schwach, dann stärker, es kamen "Fetzen" von Schleimhaut. Ich wusste ja nicht, was mich noch erwartete. Ich ging auf Toilette und wieder ins Zimmer, das ging ein paar Mal so, die Blutung wurde immer stärker, dann setzen soetwas wie Wehen ein und mit einem Schlag landete etwas in der Binde. Ich wusste in dem Moment, dass es mein Kind war. Ich ging auf Toilette und guckte es mir an. Es kam bei mir mit einem Mal heraus: Ein bisschen Schleimhaut, Plazentagewebe, das optisch an einen Schwamm erinnerte und mein Kind in der Fruchtblase. Es war winzig, vielleicht knapp 1cm groß, wie eine kleine Bohne. Ich guckte es mir an und ich konnte es kaum realisieren. Ich packte es ein, denn unter keinen Umständen wollte ich es ins Klo spülen! Denn, auch wenn ich es nicht behalten konnte, ich liebte es trotzdem. Als nächstes ging ich zur Schwester und sagte ihr, dass ich es gesehen hätte und alles raus wäre, aber ich zeigte es ihr natürlich nicht. Ich musste mich ins Wartezimmer zu all den glücklichen schwangeren Paaren setzen. Ich hatte Schmerzen, aber es war auszuhalten, nur, das ganze Blut... Eine halbe Stunde später machte die Schwester einen Ultraschall durch die Bauchdecke und stellte fest, dass es wohl ganz gut aussehe. Aber ich musste noch warten, der Arzt würde noch einen Ultraschall machen (vaginal). Also wieder ins Wartezimmer... Eine Stunde später kam der Arzt, er war, wie die Schwester auch, nicht besonders nett, aber was soll man in so einer Situation tun... Ich musste auf den Stuhl, er stellte fest, dass alles sehr gut aussehe und drückte mir sehr kräftig auf den Bauch, aus mir kam ungefähr noch ein Liter Blut gespritzt. Dann verpasste mir die Krankenschwester noch eine Spritze und ich durfte gehen. Ich blutete wie eine abgestochene Sau den ganzen Donnerstag und Freitag lang und die Schmerzen waren stark. Aber es ging ohne Schmerzmittel, die Wärmflasche hat schon etwas geholfen. Seit Samstag wurden die Blutungen schwächer, jetzt, am Montag, sind sie leicht bis "normal" und ich kann auch wieder etwas zu Essen zu mir nehmen. Am Freitag "beerdigte" ich mein Kind, verabschiedete mich, wünschte ihm alles Gute. Ich habe ihm gesagt, dass es wiederkommen soll, vielleicht in 2/3 Jahren und ich es dann herzlich Willkommen heißen werde und immer alles für es/ oder sein Geschwisterchen tun werde. Es war die richtige Entscheidung, das weiß ich jetzt. Aber natürlich bin ich traurig und ich werde dieses Ereignis mein ganzes Leben lang nicht vergessen können, den Anblick, alles... Ich bin auch froh, den Abbruch miterlebt zu haben durch Mifegyne und das andere Mittel. Die Schmerzen und alles waren stark, aber auszuhalten und ein bisschen Leid und Schmerz kann man schon ertragen... Ich kann einen medikamentösen Abbruch empfehlen, aber noch Mal möchte ich keinen hinter mich bringen.
Ich danke euch, wenn ihr meinen schier endlos langen Bericht bis hier hin gelesen habt, ich hoffe, ich konnte euch vielleicht etwas helfen. Bitte verurteilt keine Frau, die ihre Schwangerschaft abbricht, niemand macht es sich leicht und ein Abbruch ist keinesfalls die einfachere Variante.
Liebe Grüße
Lakritze