An später denken, jede Frage ausräumen
Hallo,
ich kann Deine Gefühle und Gedanken momentan sehr gut verstehen. Ich hatte auch vor 8 Jahren eine Abtreibung mit Mifegyne und bin derzeit in der 16. Woche schwanger. Habe es auch in der 5. Woche erfahren und mein erster Gedanke war: Nein, noch nicht jetzt! Habe ewig nur gearbeitet um im Job was zu erreichen, war mit meinem Freund gerade mal ein halbes Jahr zusammen, meine Mutter ist psychisch auch alles andere als auf der Höhe etc.
Aber dann habe ich mir gedacht, dass es den "richtigen Zeitpunkt" einfach nicht gibt. Ich dachte auch immer, dass bei mir irgendwann mal die biologische Uhr anfängt zu ticken, aber Fehlanzeige. Für mich war aber immer klar, dass ich mal ein Kind haben möchte, irgendwann halt. Habe selbst jetzt noch mit Stimmungsschwankungen zu kämpfen, aber die werden immer besser. Ich denke einfach Zweifel und gemischte Gefühle gehören dazu, wenn man schwanger ist.
Die Entscheidung kann Dir keiner abnehmen, aber denkst Du nicht, dass es etwas anderes ist, sich um einen kleinen Wurm zu kümmern, als um die Mutter. Klar, Du wärst aufgrund des Jobs von Deinem Mann viel alleine mit dem Baby. Aber arbeiten müsstest Du doch erstmal nicht gehen und hättest so vielleicht weniger Stress als jetzt schon. Dazu kommt, dass ein Baby "anderen" Stress verursacht. Ich meine damit, dass nicht nur Zeit und Nerven kostet, sondern auch viel Freude zurückgeben kann und dankbar ist für jede Aufmerksamkeit, die Du ihm entgegen bringst. Die Keulerei auf der Arbeit oder die Pflege von Familienangehörigen dankt einem doch meistens keiner!
Und wie soll es Deiner Meinung nach in 2-3 Jahren aussehen??? Meinst Du, dass Deine Mutter es nicht mehr so lange schafft bzw. in der nächsten Zeit stirbt? Und was ist, wenn dieser Fall wider erwarten nicht eintritt?
Und wenn Du geglaubt hast unfruchtbar zu sein, musst Du ja auch irgendwelche Gründe dafür gehabt haben. Was ist, wenn das Baby jetzt ein absoluter sogenannter "Glückstreffer" gewesen ist und es dann in ein paar Jahren nicht mehr klappt?
Ohne Dir zu Nahe treten zu wollen: Mit 34 Jahren hast Du schon das Alter erreicht, in dem das Risiko für Missbildungen beim Baby gerade anfängt zu steigen und Dir sowieso pränatale Diagnostik vorgeschlagen wird. Dieses Risiko wird in den nächsten paar Jahren nicht geringer werden ....
Und Dein Mann? Wie glaubst Du wird er sich fühlen, wenn Du "sein" Baby nicht haben willst. Du sagst selbst, er wird traurig sein. Aber wird er es auch innerlich überwinden können (auch wenn er Dir nicht in Deine Entscheidung hereinredet?). Und wenn Deine Beziehung daran gänzlich zerbricht? Wäre Dir das Recht (ist mir bei der ersten Abtreibung so gegangen, obwohl ich noch sehr jung war und er auch).
Und wenn es Dir Recht ist, meinst Du dann auch, es findet sich demnächst genau der Mann, mit dem Du ein Kind bekommen willst und kannst?
Was ist mit den Eltern Deines Mannes? Können die Dich nicht unterstützen? Das Kind könnte ja auch mal Ferien bei Oma u Opa machen oder später allein in einen Kinderurlaub fahren (geht ab 6 J), wenn die Eltern alleine Ihren Urlaub genießen.
Bevor Du Dich vorschnell entscheidest, solltest Du Dich ganz ruhig alleine hinsetzten und Dir über all diese Fragen Gedanken machen. Ich kann Dir leider nicht schreiben, dass eine Schwangerschaft einfach nur toll ist (Übelkeit, Stimmungsschwankungen etc.). Das ist sie ganz bestimmt nicht, und schon gar nicht, wenn man sich erstmal wenig auf das Kind freut. Am Anfang hatte ich auch manchmal das Gefühl, dass ich dieses Kind für alle anderen bekommen, nur nicht für mich. Aber ich glaube mittlerweile ernsthaft, dass das viel die Hormonumstellung und die damit verbundenen Stimmungsschwankungen waren.
Als das Kind in der 10. Woche Gestalt angenommen hat, haben sich auch bei mir die ersten positiven Gefühle gezeigt und mittlerweile (habe es diese Woche das erste mal gespürt) sind es überwiegend positive Gefühle und nur noch ab und an negative (und Angst, wie alles werden wird).
Ein Schwangerschaftsabbruch mit der Abtreibungspille ist im Übrigen auch nicht so toll. Bei mir war es damals sehr, sehr schmerzhaft (die stärksten Periodenschmerzen die man haben kann) und das über Tage. Ich habe geblutet wie so ein abgestochenes Schwein. Und entkrampfende Mittel durfte man nicht nehmen.
Zum Schluss nur noch eins, ich glaube fest, dass Du es lieben können wirst, wenn es da ist. Schließlich besteht es zu 1/2 aus Dir (und das jezt schon).
Ich hoffe das hilft Dir weiter. Vielleicht schreibst Du ja mal, wie Du Dich am Ende entschieden hast.
Liebe Grüsse und alles Gute, egal wie Du Dich entscheidest