Nachdem ich ja bereits über 2 Tage und Nächte Wehen hatte (mal regelmäßig, mal unregelmäßig) und den ollen Wehentee nicht mehr sehen konnte, war es ja nun nicht mehr lange hin bis zur gefürchteten Einleitung. Sonntag morgen wollten wir dafür ins Krankenhaus.
Samstag abend wurden die Wehen wieder ein bißchen schmerzhafter und so gegen 11 Uhr sind wir ins Bett. Ich wollte noch einen letzten Versuch machen mit der "Bauerneinleitung" und sagte zu meinem Mann: "So wie sie reingekommen ist, muss sie jetzt auch wieder rauskommen."
Als dann die Wehen gegen Mitternacht aprupt stärker wurden, hielt ich das noch für Einbildung oder Wunschdenken. Aber die Schmerzen wurden doller und doller und irgendwann hielt ich es im Liegen nicht mehr aus. Als wir uns um Viertel vor 3 auf den Weg ins Krankenhaus machten, war ich mir gar nicht so sicher ob sie uns nicht vielleicht doch wieder heimschicken würden, schließlich waren meine Schmerzen die Nächte davor auch schon sehr stark gewesen. Um kurz nach 3 waren wir im Kreissaal und das CTG wurde erstmalig im Stehen geschrieben, dabei hab ich mich an dem Tuch an der Decke abgestützt. "Keine Angst - mit den schönen Wehen und 5 cm offenem Muttermund schicken wir Sie nicht wieder nach Hause, Sie bekommen Ihr Kind heute noch!" meinte die Hebamme und ich war sooo erleichtert. Paulina wollte doch noch von selbst kommen und wie es aussah an einem Sonntag.
Nachdem das CTG fertig war und ich bis ca. 4:30 an dem Tuch hing, meinte auch die Hebamme, wir sollten mal was anderes machen. Mir war Abwechslung auch sehr recht. Ich wollte sowieso gern eine Wannengeburt und freute mich deshalb auch das Entspannungsbad. In der Wanne wurden die Schmerzen noch stärker. Ich dachte früher immer, ich sei so eher der "ruhige Geburtstyp", aber von Atmen konnte bei mir schon keine Rede mehr sein. Ich brüllte ganz ordentlich in den Wehen, genoss aber die Pausen zwischendurch sehr. Mein Mann kümmerte sich rührend um mich. Die Hebamme schaute nur selten mal rein und schließlich hatte ich 2 Stunden in der Wanne gelegen als sie reinkam und verkündete, dass gleich ihre Kollegin übernehmen würde. Nach einem weiteren CTG und Untersuchung des Muttermundes könnte ich ja dann sicher schon in die Geburtswanne umziehen. Sie hatte mich sogar zwischendurch gefragt, ob ich nicht ambulant entbinden wolle, das könnte ich mir ja auch mal überlegen. Es sah also alles nach einer richtig schnellen Geburt aus. Trotz der Schmerzen fühlte ich mich auch großartig und wusste, dass es bald soweit sein würde und ich die Kleine im Arm halten könnte.
So gegen 7 Uhr kam dann die nächste Hebamme und stellte besorgt fest, dass der Muttermund sich nur auf 6 cm geöffnet hatte. Schock! Das war echt eine fiese Nachricht. 4 Stunden Schmerzen und nur 1 cm Fortschritt??? Ich hatte jedoch das Glück, dass genau diese Hebamme mich am Vortag routinemäßig untersucht hatte und festgestellt hatte, dass Paulina nicht optimal am Beckneingang lag. Sie lag schräg und deshalb kam die Geburt trotz der fiesen Schmerzen nicht voran. Eben dies war wohl der Grund für die starken Schmerzen. Ich müsse mich nun eine ganze Weile in stabile Seitenlage legen, mit Wanne wär jetzt erstmal nix mehr, sonst wäre mein Kind heute abend noch nicht da...also gesagt getan. Die stabile Seitenlage war alles andere als bequem. Ich bekam ein leichtes Schmerzmittel zur Entspannung. Leider ging es mir danach keinesfalls besser...ich hatte schließlich 2 Stunden warmes Wasser hinter mir und in der Wanne auch gegessen und getrunken. Zusammen mit dem Schmerzmittel brachte das meinen Kreislauf wohl völlig durcheinander. Ich bat darum, nach meinem Kreislauf zu sehen, ich kam mir vor wie kurz vorm Abnippeln...der Bludruck sei ganz normal sagte die Hebamme. Das konnte doch nicht sein!!! Ich verstand das nicht. Plötzlich wusste ich den Grund und konnte gerade noch herausbringen: "Entschuldigung, ich glaub ich muss gleich..." aber es war schon zu spät. Ich hatte sowohl mich, mein Nachthemd als auch das komplette Bett vollgekotzt. Das war mir zwar unangenehm, aber ich fühlte mich im selben Moment unglaublich erleichtert. Danach musste ich erstmal umziehen in einen anderen Kreissaal, der alte musste komplett geputzt werden.
Nach erneuter Untersuchung des Muttermundes und wenig Fortschritt, auch bei der Lage der Kleinen, sprach die Hebamme mit ernster Stimme, man müsse jetzt etwas unternehmen, da sich nicht tue, ob ich mit einer PDA einverstanden wäre. Da das Schmerzmittel wieder verflogen war, war ich mit allem einverstanden, ich war mittlerweile körperlich etwas erschöpft. Ab diesem Zeitpunkt habe ich auch nicht mehr auf die Uhr geschaut, ich schätze es war so 10 Uhr, als die PDA dann schließlich gemacht wurde und wirkte. Ich hätte nie gedacht, wie wohltuend das sein könnte! Ich kann es nur jedem empfehlen wenn er an einen Punkt kommt unter der Geburt wo es einfach anders nicht mehr geht. Interessanterweise waren zwar die Schmerzen weg, aber ich hatte starken Schüttelfrost obwohl mir nicht kalt war. Die Wehen entluden sich in den Muskeln als Zuckungen, so erklärte es mir die Hebamme. Also versuchte ich mich zu entspannen und machte die Atemtechnik immer wenn ich anfing zu zittern und es half sehr gut.
Bei der nächsten Untersuchung machte die Hebamme die Fruchtblase auf und stellte fest, dass das Fruchtwasser grün war, das Kind hatte also ins Fruchtwasser gemacht und es war klar, dass später erstmal das Kindspech aus Mund und Nase abgesaugt werden musste. Die Hebamme ermunterte mich, innerlich mit meinem Kind zu sprechen und ihm zu sagen, dass es sich drehen müsse und keine Angst vor der Geburt haben solle. Es sollte auch keine Angst vorm Absaugen haben, danach würde es ihm besser gehen. Sie meinte, im Normalfall würden die Kinder auf diese positiven Gedanken reagieren. Die nächsten Stunden verbrachte ich also damit, mich zu entspannen, an die Kleine zu denken und zu hoffen, dass es klappen würde. Ansonsten hätte es einen Kaiserschnitt gegeben. Es wurden natürlich alle halbe Stunde ein Blutdruck gemessen und das CTG lief die komplette Zeit mit. Wären Paulinas Herztöne nicht so vorbildlich gewesen, hätte man sicher sofort den Schnitt gemacht. Der Oberarzt rief ein paarmal im Kreissaal an, ob es mir und dem Kind auch wirklich gut ginge. Die Hebamme tat alles, um ihn zu beruhigen. Sie glaubte auch an eine normale Entbindung. Und ich seltsamerweise auch die ganze Zeit über. Ich war seltsam positiv eingestellt und in einem komischen trance-ähnlichen Zustand. Ich habe die ganze Zeit über an die kleine Paulina gedacht, wie sie sich nun drehen und vorwärts kämpfen muss und habe ruhig und bewusst "nach unten" geatmet. Schließlich - es muss so gegen halb 13:30 gewesen sein - ergab die nächste Untersuchung, dass Paulina es geschafft hatte, sich zu drehen!!! Der Muttermund war bis auf einen Saum vollständig geöffnet! Ich hätte heulen können vor Glück. Und die Hebamme hatte Dienstschluss.
Die nächste Hebamme kam und war mir auf Anhieb sehr sympathisch. Sie ließ mich einmal probeweise pressen, um zu testen, ob ich dafür noch die Kraft hatte und überhaupt die Wehen spürte unter der PDA. Ich spürte zwar immer einen Druck im Becken, aber richtig feste zu pressen ist unter PDA nicht gerade leicht. "Da werden wir die PDA ein bisschen runterfahren müssen" meinte sie. Irgendwie dachte ich, bis das alles nun passieren würde, würde es noch dauern, aber schließlich wurde ich doch schon zum erneuten Pressen aufgefordert. Je stärker ich die Wehen dann spürte, desto mehr wurde ich innerlich zum Pressen angespornt. Ich empfand es als unheimliche Erleichterung, endlich aktiv mithelfen zu können, nach der langen Entspannungsphase. Es war unglaublich anstrengend, aber ein wahnsinniges Gefühl, das Kind vorwärts zu schieben. Leider dauerte es ziemlich lang. Meine Wehen waren etwas zu schwach, deshalb bekam ich zusätzlich noch Wehenmittel. Die Kleine rutschte fast immer wieder soweit zurück, wie ich sie vorgeschoben hatte und machte es mir nicht leicht. Zum Glück wusste ich zu dem Zeitpunkt nicht, woran das lag. Mein Mann konnte irgendwann das Köpfchen sehen und ich dachte, jetzt ist es gleich geschafft. Aber es dauerte weiter an.
Nach ungefähr 2 Stunden Pressen wurden die Herztöne schlechter. Saugglocke oder nicht? Diese Frage stand im Raum, doch ich wollte es allein schaffen. Die Ärztin war mittlerweile sehr besorgt und wollte mithelfen. Sie sagte, ich würde sie wahrscheinlich dafür nicht leiden können, denn sie müsse mir jetzt wehtun. Da hatte sie mal recht, denn es war echt eklig, wie sie mir von oben auf die Bauchdecke drückte. Immer wenn wieder eine Wehe kam, half sie dadurch von außen mit. Ich dachte, sie zerquetscht mit den Magen oder irgendwas anderes. Aber es half und Paulina kam weiter vorwärts. Mittlerweils brüllte ich in den Wehen so laut, dass ich als Außenstehender echt Angst bekommen hätte. Aber für mich selbst war das einfach Erleichterung pur. Die Ärztin kündigte an, dass sie einen Schnitt machen müsse. Hätte sie gar nicht tun müssen, ich hab davon überhaupt nichts gemerkt. Sie schnitt wohl direkt in einer Wehe, so dass ich nichts mitbekam. Es war toll, wie mein Mann mich anfeuerte, als er merkte, dass es jeden Moment geschafft war.. Der Druck wurde größer und größer, auch in den Pausen merkte ich dass das Köpfchen fast da war. Und dann, in der nächsten Wehe, hatte ich es endlich geschafft - Paulinas Kopf war zu sehen. Die Ärztin saugte mit einem Röhrchen das Kindspech aus Mund und Nase ab, das ging ganz schnell. Dann dauerte es nicht mehr lang und der Körper war auch geboren. Sofort wurde Paulina mir auf die Brust gelegt, und schaute mich direkt mit ihren blauen Kulleraugen an. Mein Mann und ich mussten nur noch weinen, es war der allerschönste Moment unseres Lebens.
Wir erfuhren hinterher den Grund dafür warum Paulina nicht gut vorwärts kam im Geburtskanal: Die Nabelschnur war um ihren Bauch geschlungen und das hat sie wohl eingeengt und ihr Angst gemacht. Sie konnte aktiv kaum mithelfen die Kleine. Ich war froh, diesen Umstand erst jetzt zu erfahren.
Paulina kam um 16:31 mit 3.870 Gramm, 54 cm und einem Kopfumfang von 36 cm zur Welt und ist für uns das schönste Geschenk auf Erden!
Nach ungefähr 2 Stunden im Kreissaal (ich hatte neben dem Dammschnitt noch einen Scheidenriss, beides musste genäht werden) - Paulina wurde untersucht, gewogen, vermessen und gebadet - ging es dann ins Familienzimmer. Ursprünglich wollte mein Mann nicht da bleiben, aber nach diesem faszinierenden Erlebnis konnten wir drei uns erstmal gar nicht trennen und wollten die erste Nacht als Familie zusammen verbringen.
Wenn ich von einer 16-einhalb-Stunden-Geburt mit Schmerzen, Schräglage des Kindes, PDA, knapp entgangenem Kaiserschnitt, knapp entgangener Saugglocke, Nabelschnurkomplikation usw. erzählt, schreckt erstmal jeder zusammen. Es hat mir bislang keiner geglaubt, dass ich dieses Erlebnis Geburt wahnsinnig schön fand trotz all dieser Dinge und dass ich mir persönlich keine schönere Geburt hätte vorstellen können. Jede einzelne Wehe hat sich gelohnt und ich wünsche jeder, der eine Geburt bevorsteht, den positiven Glauben an dieses schönste Ereignis der Welt!