Nachdem mir meine Frauenärztin wochenlang ein normalgewichtiges kleines Mädchen prophezeiht hatte und sich schließlich weigerte überhaupt noch US zu machen, ging ich einen Tag nach meinem Et ins Krankenhaus zum CTG. Da mein Freund bei seiner Geburt 4.680g gewogen hatte und meine Kleine die ganze Zeit eher groß war, war ich sicher, dass meine FA mit ihrer Geburtsgewichtsschätzung von max. 3.500g daneben liegt. Eine baldige spontane Niederkunft kündigte sich laut CTG und Mumu-Befund aber gleich gar nicht an und deshalb bestand ich bei einem weiteren CTG am Et 3 im Krankenhaus auf meinen US. Nach der fruchtwassermenge oder event. Verkalkungen hatte meine FA nämlich ebenfalls nicht geschaut.
Die Ärztin war sehr nett und bestätigte mir zunächst, dass Ophelia Top versorgt ist und sich wohl noch etwas Zeit lassen will. Dann nahm sie die Maße und stockte. "ähm... Ich hab hier 4,8... Nein das kann nicht sein..." dann maß sie nochmal und kam nach eingehender Schätzung auf 4,7.
Ihr könnt Euch ja vorstellen, wie bedient ich war. Dann sprach sie mit mir über sämtliche Risiken einer sogenannten Makrosomie, wie sie bei mir vorläge und bestellte mich zum Nächsten Morgen in die Klinik zur Einleitung. So konnte ich noch Fußball gucken und auf einen Blasensprung vor lauter Aufregung hoffen.
Am nächsten Morgen in der Klinik gabs erst ein CTG und dann das Gel für die Einleitung. Zimperlich sind die ja nicht gerade, wenn die Einem das am mumu auftragen. Dann musste ich zwei Stunden liegen und hatte dieses menzartige Ziehen... Mehr aber auch nicht. Danach bin ich im Park herumgelaufen, bis es dann um vier die Zweite Dosis gab. Da war der mumu gerade 2-3cm aber der cervix stand noch... Der Hals war also noch gar nicht verstrichen... Nach der zweiten Dosis bekam ich deutliche wehen, die auch schon ganz schön anstrengend waren und die veratmet werden wollten und so zogen mein Freund und ich bis nachts um elf emsig unsere Kreise um das Krankenhaus und mussten alle anderthalb Minuten stehen und die Wehe durchackern. Um elf hatte sich am mumu nicht viel getan... 3-4cm und immernoch stehender cervix... Ophelia lag noch relativ hoch und dachte scheinbar nicht im Traum daran auf die Welt zu kommen. Mein Freund bekam dann irgendwann ein Bett und weil wir beide totmüde waren aber nur er schlafen konnte kreiste ich alleine bis morgens um vier um die Klinik. Ich hatte nun zwölf Stunden regelmäßige starke Wehen und war sicher, dass sich am mumu nach dieser nacht was getan haben musste. Bei der anschließenden Untersuchung hieß es dann: mumu unverändert, cervix steht UND Kind ist nochmal wieder höher gerutscht... HALLO??? Ich dachte, ich spinne. wofür renne ich denn seit zwölf Stunden wie ne irre durch die gegend???
Nächste Aktion Wehentropf.
Um acht am Freitag dann die Entscheidung: Zwangspause. Ich sollte zurück ins Vorwehenzimmer, n Drogencocktail einwerfen und schlafen. Dazu noch ne Einleitungstablette, die dann erst in ein paar Stunden wirken sollte. Die PDA hatte ich zu dem Zeitpunkt bereits in Auftrag gegeben, da mich so langsam die Kräfte verließen und ich ahnte, dass es deutlich heftiger werden würde.
Kurz vor neun war alles vorbereitet. Frisches Bett... Fernseher und meine Drogen. Ich stellte mich auf nur noch wenige schmerzhafte Wehen ein, bevor das Schmerzmittel greifen würde. Ich sehnte es herbei, denn langsam wurde es unerträglich.
Punkt Neun sprang die Fruchtblase. Und dann kam sofort das, wovor ich Angst gehabt hatte. Wehen! Und zwar richtige Wehen... Nicht diese Kindergartenwehen, mit denen ich mir vorher so wichtig vorgekommen war. Wehen! Und dann auch noch so plötzlich und ohne Pause. Ich bekam Panik, denn alles was im GVK gesagt wurde, ging plötzlich gar nicht mehr...
"wir spüren, dass sie Wehe kommt - wir begrüßen die Wehe - wir atmen ihr entgegen - wir veratmen ihren höhepunkt - wir Tönen dabei, wenn uns danach ist - wir spüren, wie sie schwächer wird und wir verabschieden die wehe - wir ruhen uns aus und atmen gleichmäßig."
Ich schrie. Nach der Hebamme, nach meinem freund und nach der PDA. Es gab nix zu begrüßen, weil es keinen Anfang und kein Ende gab. und keine Pause. Ich bestand auf die PDA und im Eiltempo ging's zurück in den Kreißsaal.
Der Narkosearzt war gerufen und die Hebamme schaute nach meinem Muttermund. Sie schaute mich an und sagte: "cervix verstrichen, Muttermund ist auf und Kind ist halb durchs Becken." und ich wusste sofort, was das hieß: Für ne PDA war's zu spät. Mein Drogencocktail lag vergessen im Vorwehenzimmer und Ophelia hatte es plötzlich eilig. Ich bekam dann nicht mehr viel mit. Man sagte mir immer wieder, ich solle nicht zu tief und zuviel atmen. Ich hing auf diesem riesigen Bett auf der Seite und hatte mich völlig in meinen Freund verkrallt, der mir total verständnisvoll und gleichzeitig hartnäckig klarmachte, dass ich da jetzt durchmuss und dass ich das schaffe und dass ich das super mache.
Dann kamen die Presswehen und ich sah wieder etwas. Obwohl die noch heftiger waren, hatten sie etwas für sich: pausen. So wurde ich minutenweise zum Exorzisten und entschuldigte mich anschließend jedesmal in der Pause, dass ich mich so anstellte. Dann durfte ich mitmachen und das war besser, denn anstelle nur aushalten zu müssen, hatte ich einen Job zu erledigen. Und je besser ich den tat, desto schneller war das hier vorbei. Ich kann's nur schätzen, aber ich glaube ich musste maximal fünf wehen pressen. Den Dammschnitt bekam ich mit, auch weil ich was klappern hörte, aber der Schmerz war nebensächlich... Ich wusste: "jetzt kommt der Kopf und den bringst du jetzt raus und wenn du gut bist, dann bringst du den Rest gleich mit raus und dann gibt's keine weitere Wehe mehr"
So war der Plan. Der kopf kam und die Hebamme fragte, ob ich's probieren will...
... Dann war Stille. In meinem Kopf, in meinem Körper und im Raum. Ophelia lag zwischen meinen Beinen und starrte mich mit weitaufgerissenen Augen an. Sie schrie nicht und trotzdem zweifelte niemand daran, dass es ihr bestens geht. In der nächsten Sekunde lag sie auf meinem Bauch. Sie war krebsrot und guckte immer wieder abwechselnd zu mir und zu meinem Freund. Es war der unglaublichste Augenblick meines Lebens. Ich prägte mir vollautomatisch jedes Detail ihrer Gesichtszüge ein und war sicher, dieses Kind aus Millionen von Babys wieder zu erkennen. Mein Freund schnitt die Nabelschnur durch und dann waren wir für uns. Der bitte der Hebamme, nochmal zu pressen, kam ich mechanisch nach und spürte, das direkt auch die Nachgeburt kam. Ich hab auch kurz danach geschaut, weil ich doch neugierig war... Dann war ich wieder bei meiner Tochter.
Sie ließen uns ewig Zeit mit ihr. Die Versorgung des Dammschnitts war nicht schön aber ein Klacks gegen die Wehen vorher. Mein Freund zeigte mir grinsend eib paar Schürfwunden an seiner Hand und eine Wunde an seinem Schlüsselbein, die wie ein Zahnabdruck aussah.
Ich schwelgte zwischen grenzenlosem Stolz und dem totalen Erstaunen, dass sie wirklich in mir drin gewesen ist. Nach der Geburt um halb elf, blieben wir noch dreieinhalb Stunden im kreißsaal. Es kam mir vor, als wären es Minuten gewesen.
Und das ist sie:
Ophelia
Geboren am 25.06.2010 um 10:31h
4560g
57cm
37,5cm KU
Ich möchte mich bei Euch bedanken:
Snuffelis Junimamas! Glückwunsch an Euch alle! Ihr habt mir in der schweren Anfangszeit, als mein Freund nur noch türmen wollte, unglaublich viel Kraft gegeben! Ihr wart einfach so schreibverrückt und wurdet so viele, dass ich das Nachlesen nicht mehr geschafft habe.
Ihr verrückten Discokugeln, danke, dass ihr mich in den letzten Tagen vor dem ET noch adoptiert habt! Es tut ja so gut, sich mit Leuten auszutauschen, die genauso gespannt, nervös, genervt, gelangweilt und frustriert sind, wie man selbst. Danke, Danke, Danke!
Eure (auch jetzt noch) hormongesteuerte Jule