Hallo ihr Lieben,
nun kommt ein sehr langer Text, damit ihr alle Zusammenhänge, meine Gedankengänge und Beweggründe verstehen könnt. Vielen Dank, wenn ihr den Text trotz seiner Länge lest.
Ich war lange am Überlegen, ob ich mir auf diese Weise "Rat" suche, vielleicht erhoffe ich mir auch einfach nur ein paar liebe, aber klare Worte.
(An die Abtreibungsgegner: ihr könnt euch eure Kommentare sparen, ich bin mir durchaus darüber bewusst, was ich getan habe! - aber eben auch warum)
Meine Geschichte:
Ich bin 23, leben in einer sehr ländlichen Gegend, nur meine Mutter und meine drei jüngeren Geschwister (18, 16 und 13) aus direkter Verwandtschaft leben in der Umgebung, ebenso die Familie meines Freundes, mit dem ich seit etwas über sechs Jahren (kleine dreimonatige Unterbrechung vor vier Jahren) zusammen bin und ich bin im letzten Ausbildungsjahr meiner schulischen Ausbildung zur Erzieherin.
Ich hatte so viele Pläne, nachdem ich lange ahnungslos durch die Welt gegangen bin. Endlich hatte ich Ziele und noch dazu eine enorme Motivation und Zielstrebigkeit diese zu erreichen und dann das: ich war schwanger.
Die offizielle Bestätigung durch meine FA bekam ich am 03.09. Schon in der Woche davor hatte ich dienstags zwei Tests gemacht, da meine Periode nun schon drei Tage ausgeblieben war, wovon der erste viel Raum für Interpretation ließ und ich darafhin am gleichen Tag noch einen zweiten machte. Dieser war dann negativ. Auf dieses Ergebnis verließ ich mich dann nun erst einmal, kann ja mal vorkommen, dass sich die Periode etwas verschiebt. Ich hatte ja auch Unterleibs- und Brustschmerzen, alles die Vorboten, die ich auch vor Beginn meiner Periode verspürte. Zum Wochenende hin kam mir das alles dann aber doch zunehmend komisch vor...meine Tage waren immer noch nicht da, meine Brüste taten höllisch weh, sodass ich nicht einmal mehr auf dem Bauch schlafen konnte und so folgte ich einer inneren Eingebung und machte Samstagmorgen noch einen Test. Dieser war augenscheinlich positiv, nur wollte ich ganz sicher sein und machte noch einen mit Wochenbestimmung: Schwanger 3+. Herzlichen Glückwunsch konnte ich mir beim besten Willen nicht wünschen, stattdessen musste ich heulen und war erfüllt von Panik. Dann am Montag der FA-Termin, Schnappatmung, Panik, Angst, 5+5 Ssw. Der FA sagte ich gleich, dass das nicht ginge, ich das jetzt nicht könnte und wolle, sie gab mir auch gleich die Adresse einer Ssw-Konfliktberatungsstelle. Dort rief ich an und vereinbarte gleich für den nächsten Tag einen Termin.
Der erste Schock darüber wich Belustigung. Ich konnte nicht anders als mich selbst auszulachen, dass ausgerechnet mit das passieren musste, dennoch wusste ich, dass ich irgendwie selber Schuld gewesen war. Im Mai 2016 musste ich meine Pille absetzen, da ich starke Zyklus- und Blutungsprobleme hatte und nun war bisher 1 1/2 Jahre alles gut gegangen. Ich wusste, wann ich meine fruchtbaren Tage hatte, packte vorher und nachher immernoch 3 Tage dazu, damit ich auch ganz sicher war, dass nichts passierte und es wurden von mir bestimmte Regelungen eingehalten. Und nun das, denn anscheinend hatte sich mein Zyklus plötzlich etwas verschoben und trotz der "Sicherheitstage" war es passiert. Ich wusste genau, wann es gezeugt wurde, was mir die FA dann auch bestätigen konnte. Und dann konnte ich mich auch noch daran erinnern, dass ich vor dem GV extra noch einmal überprüft hatte, ob wir wirklich sicher waren...wäre ich in irgendeiner Form unsicher gewesen, dann hätte ich mir doch die Pille-Danach organisiert. Zu spät. (Jaaaaaa, ich weiß: Wenn man immer mit Kondom verhütet und so weiter und so fort. Weiß ich. Ist nur eben für meinen Freund nicht so schön, weil er dabei nichts merkt....) Dazu auch noch die Ironie des Schicksals: am 24.09. hätte ich einen Termin bei der FA gehabt (auf den ich 4 Monate gewartet habe), weil ich wieder dauerhaft-duchgängige Verhütung wollte. Das ganze war einfach so vorbei an meinem Leben und so unrealistisch, dass ich nur darüber lachen konnte. Ich wollte das nicht, das stand ab Minute eins für mich fest. Es ging nun gerade nicht. Dann kam mit Wahrnehmung des Beratungsgesprächs, das ich mit meinem Freund wahrnahm, doch irgendwie die Realität über mich. Ich erklärte der Dame und einigen doch immer wieder druchbrechenden Tränen meine Situation, alle meine Gründe, weshalb es nicht ginge und sie war auch sehr verständnisvoll, konnte meine Gründe nachvollziehen.
Und nun kamen langsam die Zweifel. Wie geht es nach dem Abbruch weiter? Würde ich damit klar kommen, zumal ich mir vor knapp vier Jahren schon einmal eine Depression eingehandelt hatte? Wenn ich mich doch gegen einen Abbruch entscheide, würde ich damit psychisch besser klar kommen und hätte ich dann nicht irgendwie zwei Leben versaut: meines und das meines Kindes, weil ich ihm defintiv nicht mehr als eventuelle Liebe hätte bieten können? Noch dazu kamen dann meine Moralvorstellungen, dass ich ja nun schon 23 und keine 14 mehr bin, also durchaus in einem Alter, in dem viele über die Familienplanung nachdenken. Also der Start sehr vieler ambivalenter Gedanken innerhalb derer ich eine Entscheidung fällen sollte...schier unmöglich.
Immer wieder spielte ich alle Gründe sowohl dafür als auch dagegen durch und immer wieder, war das Endergebnis, dass ich keine Gründe für die Austragung der Schwangerschaft fand und die Gründe dagegen so präsent und überwiegend waren.
Und es gab so viele Gründe. Zum einen steckte ich gerade noch mitten in der Ausbildung. Eine meiner Lehrerinnen, die zudem auch Psychologin ist, konnte mich dahingehend zwar etwas beruhigen, denn meine Schule wäre mir entgegen gekommen, sodass ich die Ausbildung noch irgendwie im kommenden Jahr hätte beenden können, jedoch mit Verzögerung. Die praktische Prüfungsphase von Januar bis März hätte ich nicht mehr machen dürfen, in der Zeit hätte ich dann meine Facharbeit schreiben müssen, die normalerweise erst nach den schriftlichen Prüfungen geschrieben wird, die schriftlichen Prüfungen hätte ich hochschwanger schreiben müssen und die praktische Prüfung dann eben irgendwann nachholen müssen. Das alles für den Fall, dass sie Schwangerschaft komplikationslos verläuft...dafür konnte mich natürlich auch niemand die Garantie geben und was wäre gewesen, wenn dem nicht so gewesen wäre? Das war mir alles zu unsicher. Man muss dazu wissen, dass ich 2014 mein Abitur gemacht, dann eine Ausbildung begonnen, aber nach zwei Monaten abgebrochen habe, nach 10-monatiger Arbeitslosigkeit und vergeblicher Ausbildungsplatzsuche dann auf den letzten Drücker ein FSJ folgte und nach erneuter vergeblicher Ausbildungsplatzsuche als Kauffrau für Büromanagement die schulische Ausbildung zur Erzieherin eher Plan B war. Im Endeffekt war das das Beste, was mir passieren konnte, ich liebe meine Ausbildung, bin sehr gut darin und habe gute Aussichten mich danach eben noch weiter fortzubilden. Und das war nun, nach diesen ewigen Misserfolgen seit 2014, auch mein Plan. Schon lange will ich aus dem Landkreis, in dem ich nun schon seit meiner Geburt lebe, einmal weg. Ich wollte nach Schwerin, dort noch eine Ausbildung machen, neue Erfahrungen sammeln, neue Menschen kennenlernen und vor allem einmal weg von der (emotionalen, aber auch teils finanziellen) Abhängigkeit zu meinen Schwiegereltern. Seit drei Jahren wohne ich nun offiziell mit in ihrem Mehrwohnungshaushalt (ein Dorfhaus, in dem es die seperaten Wohnungen meiner Schwiegereltern, eine familienanaloge Wohngruppe, die meines Schwangers und meines Freundes und mir gibt). Eingezogen bin ich praktisch mit nichts, denn hier war ja schon alles. Alles, was sich hier mein Besitz nennt, abgesehen von persönlichen Dingen, ist ein Regal, ein Crosstrainer und ein Auto. Mein Freund wollte eigentlich nie von hier weg, denn er fühlt sich hier wohl und woanders eher unwohl. Dazu kommt aber auch, und daher sicher auch ein Stück weit Unsicherheit, dass er in jeglicher Weise auf seine Eltern angewiesen ist und immer eine direkte Vertrauensperson benötigt, da er eine leichte allgemeine Entwicklungsverzögerung und eine Lernbehinderung hat. Seine Eltern regeln eben bisher alles, was bedeutsam ist, für ihn. Schwerin war, nachdem wir im letzten Jahr einer Freundin beim Umzug dorthin geholfen haben, dann doch eine Option für ihn und für die Dauer einer zweiten Ausbildung meinerseits ein Kompromiss für uns beide. Und dennoch steht das Ganze so oder so schon seit Anfang an auf sehr wackeligen Beinen, obwohl ich eigentlich gar kein risikobereiter Mensch bin. Ich wusste, dass man in der Ausbildung als Kauffrau für Büromanagement nun nicht die Welt verdient und dass mein Freund finanziell niemals für eine solche Situation aufkommen könnte. Durch seine Defizite arbeitet er nicht auf dem freien Arbeitsmarkt, sondern ist voraussichtlich sein ganzes Leben lang über die Lebenshilfe (Leben leben, Werkstatt für Menschen mit Behinderung) angestellt, wo man weiß Gott fast nichts verdient, sodass seine minimalsten Lebenshaltungskosten mit Sozialhilfe aufgestockt werden müssen. Er hat derzeit eine Außendienststelle und dies wollten wir auch für Schwerin wieder für ihn. Also war mir aber auch bewusst, dass ich irgendwie dennoch für unseren Lebensunterhalt aufkommen müsste. Ich werde im Januar 24, solange ich mich in einem Ausbildungsverhältnis befinde, kann ich also bis ich 25 bin Kindergeld und bis ich 27 bin meine Halbwaisenrente beziehen. Hätte ich nun das Kind bekommen, so hätte ich durch die verzögerte Beendigung meiner derzeitigen Ausbildung eine meist im August oder September beginnende Ausbildung nicht wahrnehmen und erst im Jahr 2020 damit beginnen können, sodass ich schon mal mein Kindergeld nicht mehr erhalten hätte. Geld, auf das ich/wir angewiesen bin/sind...
Noch dazu kommt, dass es gerade in den Wochen vor Bestätigung der Schwangerschaft in unserer Beziehung krieselte. Dies lag nicht an ihm, er wollte einfach nur Harmonie, sondern vielmehr an mir, da ich bisexuell bin und darüber nachgedacht habe, ob ich diese Beziehung überhaupt noch weiter fortführen möchte. Dieser Umstand ist mit der Schwangerschaft natürlich in den Hintergrund gerückt, ich musste mir um andere Sachen Gedanken machen, aber dennoch wusste ich, dass das Problem ja noch nicht behoben war, sondern auf der "Prioritätenrangliste" nur den Platz gewechselt hatte. Mir schwirrte also im Kopf rum, was denn im Falle von Trennung wäre. Zum einen wollte ich ein Kind nicht direkt in eine unsichere emotionale Familiensituation hinein gebären, auf der anderen Seite eben wieder die finanzielle Sicht. Selbst wenn wir es im nächsten Jahr noch irgendwie nach Schwerin geschafft und ich dort eine Ausbildung begonnen hätte (mein Freund hat irgendwann vorgeschlagen, dass er ja in Elternzeit gehen könnte, was ich zwar sehr löblich fand, ihm aber nicht zutraute aufgrund seiner Defizite), was wäre im Fall einer Trennung gewesen? Mit ihm konnte ich darüber nicht reden, weil er nichts von einer potentiellen Trennung hören wollte. Ich aber wusste genau, dass mein Freund dann wieder in seinen Heimatort zurückgegangen wäre, ich hätte womöglich noch eine Ausbildung abbrechen müssen, nicht die idealste Darstellung im Lebenslauf inklusive Kind für den richtigen Berufseinstieg, stünde ohne Hab und Gut und einer fremden Stadt mit einem Baby da. Sehr unideal und unsicher. Vielleicht erscheint meine Vorstellung möglicher Situationen dem einen oder anderen sehr schwarz, aber das sind ja eben nun die Optionen, die hätten eintreten können und ich wäre auf gut Deutsch gesagt "am A****" gewesen. Zwar sagten mir alle, die von der Schwangerschaft wussten, egal wofür, also pro oder contra Abbruch, ich mich entscheiden würde, ihre Unterstützung zu und auch meine Schwiegereltern meinten, dass sie finanziell unterstützen würden, aber das wollte ich so nicht. Gerade für den Fall von Trennung, klar, für das Kind wäre das in Ordnung gewesen, ist ja ihr Enkel, aber es ging ja auch um mich und dass ich nichts hatte. "Ja, meine Lieben, ich bin zwar nicht mehr mit eurem Sohn zusammen, aber könntet ihr mir hier vielleicht trotzdem irgendwie mal ne komplette Wohnungseinrichtung bezahlen?!" war nicht meine Vorstellung von meinem Leben. Ich möchte kein Geld von anderen aus der Not erhalten, dann auch noch darauf angewiesen sein, ohne selbst etwas dafür zu leisten. Dass meine Familie das nicht leisten könnte, wusste ich auch. Und dazu dann eben auch noch die Abhängigkeit von staatlichen Mitteln, für die eben das gleiche Meinungsbild meinerseits besteht. Ich bin eines dieser Kinder, die in einer emotional sowieso finanziell schlecht situierten Familie aufgewachsen ist. Ich weiß, wie es ist, ständig mit irgendwelchen Zetteln zu den Lehrern gehen zu müssen, um eine Unterschrift zu bekommen, damit das Amt die Kosten für die Schulbücher oder die Klassenfahrt übernimmt, die nur wenige und meist schon gebrauchte Kleidungstücke hatte, zwei- oder dreimal ihren Kindergeburtstag feiern konnte und sich zu Weihnachten wünsche musste, was zur normalen Grundausstattung gehört hätte (neuer Pullover, neue Hose etc.). Das wollte ich für meinen weiteren Lebensverlauf und auch für den meines Kindes nicht. Und ich wollte auch einfach nicht hier bleiben, weil die Wahrscheinlichkeit meine Pläne finanziell zu einem anderen Zeitpunkt stemmen zu können, immer geringer werden würden. Und ich wollte einfach arbeiten. Ich wollte nicht direkt nach meiner derzeitigen Ausbildung HartzIV beantragen und mir später dann in meinem ländlichen Umfeld mit Hängen und Würgen eine Teilzeitstelle suchen müssen. Trotz der sozialen Berufsrichtung sind vor allem die Arbeitgeber dann doch meist gar nicht so sozial und gerade hier im ländlichen Raum ist das Angebot an Arbeitsstellen, bei denen so eine Regelung möglich ist, sehr gering.
Dazu kommt dann auch noch ein gesundheitlicher Umstand, verbunden mit finanziellen Gegebenheiten. Im Dezember letzten Jahres wurde bei mir offiziell (eigentlich hatte ich den Befund schon seit vier Jahren, wusste es nur nicht) ein beide Beine betreffendes Lipödem diagnostiziert. Grundsätzlich ist diese Krankheit nicht heilbar und das Fortschreiten nur durch das Tragen von Kompressionskleidung geringfügig zu verlangsamen. Abgesehen von gesundheitlichen Beeinträchtigungen bringt diese Krankheit aber auch ästhethische Veränderungen mit sich. Beides ist, wie gesagt, nicht heilbar, aber dennoch durch eine operative Liposunktion erheblich zu lindern. Diese Operation beläuft sich bei mir auf ca. 15.000€ und wird nicht von der Krankenkasse übernommen. Ich spare seit Februar dafür, habe neben meiner Ausbildung einen erst Kleinst-, nun Mini-Job und mache hier und dort noch was. Dies hätte ich alles mit einer Schwangerschaft und auch mit der Geburt eines Kindes, nicht mehr gekonnt. Zwar haben meine Schwiegereltern mir auch gesagt, dass sie sich auch um das Kind kümmern würden, wenn es nötig ist, aber sie führen auch eine Wohngruppe und sind somit auch voll beruflich eingespannt. Zudem entsprach es nicht meiner Vorstellung des Mutter-Seins mein Kind ständig zu Oma und Opa abzuschieben, damit ich dann alles andere IRGENDWIE regeln und ableisten konnte. Wenn ich ein Kind bekomme, dann möchte ich mir bewusst Zeit für dieses nehmen und diese Dinge belanglos sein lassen können. Für einige mag dieser Befund nun vielleicht eine Nichtigkeit darstellen, aber ich habe die Krankheit ja nun schon länger als seit Dezember 2017...ich fühle mich nicht wohl in meinem Körper. Nun hat das Leiden endlich einen Namen und ich weiß auch, dass ich etwas dagegen machen kann, fange an dafür zu arbeiten und zu kämpfen...und dann die Schwangerschaft, die alles durcheinander brachte und alle meine Pläne für ein gutes Leben schienen in Rauch aufzugehen.
Nicht zuletzt sah ich mich einfach noch nicht in der Rolle einer Mutter, die ihre Kind dann in drei Jahren in den Kindergarten bringt und in sechs Jahren das erste Mal zum Elternabend in der Schule sitzt...und dennoch waren da auf der anderen Seite aber auch immer wieder die Gedanken, ob ich das wirklich alles so sehr will, was ich will und das, was ich nicht will, wirklich so sehr nicht will.
Zwar hatte ich den Beratungstermin ja gleich einen Tag nach Bestätigung der Schwangerschaft, ließ mir dann aber doch etwas mehr Zeit, weil ich nicht aus dem Kurzschluss handeln wollte. Es begannen zwei sehr aufwühlende Wochen, in denen selbst die alltäglichsten Dinge, wie z.B. das Duschen sehr, sehr anstrengend waren. Die erste Zeit versuchte ich auch noch alle anderen Anforderungen zu bewältigen, aber es ging nicht mehr und ich ließ mich krankschreiben. Eine meiner Lehrerinnen setzte ich darüber in Kenntnis, sie hatte vollstes Verständnis. Nach vielen, vielen Gesprächen unter anderem eben dem Beratungsgespräch, E-Mail-Kontakt mit einer Dame von pro familia, mit zweien meiner Lehrerinnen und allen, die mir lieb waren, wurde immer wieder klar, dass meine Situation sch**** ist, ich mich mit all den Kompromissen einfach nicht identifizieren und arrangieren kann und dies alles wohl für einen gewissenhaft entschiedenen Abbruch spricht. Meine Lehrerin (die Psychologin) sagte zu mir: "Wenn nun eine Fee käme und Sie drei Wünsche frei hätten, was würden Sie sich wünschen?" Wie aus der Pistole geschossen, aber doch unter einem Schwall Tränen antwortete ich "Dass es von alleine wieder geht." In den Momenten, in denen ich dann doch kurz alleine war, überkamen mich wieder die Zweifel und die Angst vor dem Danach. Ich konnte das einfach nicht entscheiden, wollte es nicht, wusste aber, dass ich es muss. Egal wie ich es drehte und wendete. Gerade in Momenten des Zweifels sagten mir viele, dass man alles "irgendwie schaffen kann". Das wusste ich auch, aber ich wollte dieses IRGENDWIE nicht. In meinem bisherigen Leben, vor allem in meiner Kindheit und Jugendzeit, hatte ich, abgesehen von meiner finanziellen Ausstattung genug "irgendwie" (nicht chronologisch: früher Tod meines Vater, als ich drei war, zwei darauf folgende Stiefväter, mit denen ich nicht klarkam und die mich aus dem Haus haben wollten, durch einen von beiden sexuellen Missbrauch an meiner Person + Gerichtsverhandlung, Sinken meiner schulischen Leitungen, aus der Situation resultierende zerrüttete Beziehung zu meiner Mutter, frühe Anforderungen der Selbstständigkeit auch im Bezug der Verantwortung gegenüber meinen jüngeren Geschwistern, die immernoch andauert (ich bin seit langem die Mutter meiner Mutter), ständige Jugendamtkontakte, schwieriger Status innerhalb meiner Altersgruppe in der Schulzeit usw., zwischenzeitliche Gewaltbereitschaft meines Freundes mir gegenüber (hat er seit zwei Jahren im Griff!), Verantwortung gegenüber ihm bzg. seiner Defizite, Betrug, lange berufliche Planlosigkeit + Arbeitslosigkeit, Schwierigkeiten bei der Findung einer Ausbildungsstelle und so weiter und so fort...). Ich wollte einfach ein besseres Leben, war bereit dafür zu arbeiten und ich wollte auch ein besseres Leben als das, was ich hatte, für mein Kind. Davon abgesehen wollte ich eigentlich nie Kinder! Während meines Entscheidungsprozesses ist mir nun aber klar geworden, dass dem nicht so ist. Ich nehme an, dass ich mir das auch die ganze Zeit nur vorgemacht habe. Aber nun wollte und konnte ich eben zu diesem Zeitpunkt kein Kind bekommen, konnte mich aber dennoch nicht einfach klar für diesen Abbruch aussprechen. Stündlich dachte ich etwas anderes und am Ende war es doch wieder nicht konkret, weil ich gleich wieder was anderes dachte. Ich drehte langsam ziemlich durch. Ich wollte aber einfach, dass das alles ein Ende hat, egal welches es dann am Ende sein würde. Also machte ich den Termin für das Vorgespräch zum Abbruch und erhoffte mir dadurch, dass ich dort schon spüren würde, was ich fühle und was ich will. Fehlanzeige. Gähnende Leere neben extremer Nervosität und ziemlich kaputt gepulten Fingern. Also ließ ich das Vorgespräch über mich ergehen. Es war der Horror, denn der Arzt war ein A*********, wie es im Buche stand. Er war einfach voll dagegen. Ich hatte meine Schwiegermutter mit dabei. Erst fragte er, ob es noch etwas zu besprechen gäbe, warum dieser Abbruch vorgenommen werden soll. Wir verneinten dieses, aber irgendwie wollte er doch darüber sprechen. Ich ihm dann grob meine Gründe dargelegt und er fängt an, von wegen mit Familie könnte man ja alles schaffen, die Gesellschaft bestünde daraus sich um andere zu kümmern und dass sich auch andere um einen selbst kümmern, dann ging es weiter mit den Risiken und Nebenwirkungen des Eingriffs (soweit alles gut, wusste ja, dass das sein musste), wobei er jedoch immer wieder auf der eventuellen späteren Kinderlosigkeit rumritt. Als ich ihn dann fragte, ob er mir eine Wahrscheinlichkeit nennen könnte, bei wie vielen von 100 Fällen das vorkommt, meinte er nur "Nö, die Wahrscheinlichkeit bei jeder einzelnen Frau liegt eben bei 50/50.". Joar, das hilft mir jetzt ungemein. Als ich dann nochmals meine Mittellosigkeit und meine Pläne zwecks Ausbildung anführte, meinte er dann, dass er das in seiner Berufspraxis schon sehr oft erlebt hat, dass die Frauen eine Schwangerschaft abgebrochen haben, um Karriere zu machen, am Ende dann viel Geld, ein großes Haus und einen wortwörtlich BMW hatten, aber totunglücklich waren, weil sie keine Kinder mehr bekommen konnten, aber dass er auch schon eine Frau erlebt habe, die 22 Abbrüche hatte vornehmen lassen und doch immer wieder schwanger wurde. Zu guter letzt, als er gerade ein russisches Sprichwort über Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch machen lassen, erzählen wollte, meinte er dann gefühlt in letzter Sekunde "Ah, neee, das geht nun zu weit, ich rede jetzt lieber nicht weiter.". Man kann sich also vorstellen, wie es war. Zwar brachte mich das ganze zum Nachdenken, vor allem was die Kinderlosigkeit angeht, dennoch löste es aber nicht irgendeinen inneren Schrei aus. Der Autopilot war vollends eingestellt. Also wachte ich am folgenden Tag, der Tag des Abbruchs auf, stand auf, machte mich fertig und musste mir ja noch die zwei Tabletten zur Erweichung des Muttermundes einführen. Ich habe noch einmal versucht in mich hinein zu hören, aber da war einfach nichts. Nicht einmal als ich mir im Stillen die konkreten Fragen gestellt habe "Will ich das? Will ich das nicht? Soll ich? Soll ich nicht?" war da einfach nichts! Ich hatte es totgedacht. Und so tat ich es, ging hin und ließ den Abbruch durchführen.
...wie geht es mir jetzt? Nun kommen wir zum eigentlichen Problem...ehrlich gesagt kann ich dazu nämlich keine konkrete Aussage machen. Ich fange schon wieder an alles zu zerdenken, komme aber nicht dagegen an. Es passiert, obwohl ich das nicht will.
In den ersten Tagen nach dem Abbruch (18.09.) ging es mir nicht besonders, aber auch nicht besonders schlecht. Im Endeffekt war ich einfach erleichtert darüber, dass die Entscheidung nun durch war und auch etwas darüber, dass ich wieder alleine in meinem Körper bin. Und auch jetzt ist mein Zustand auch immer noch nicht besonders gut, aber ebenso wenig auch dramatisch schlecht. Nur immer mal wieder, tage- oder phasenweise, eher in die eine oder andere Richtung tendierend. Ich würde nicht sagen, dass ich es bereue, aber schön und einfach ist das alles dennoch nicht, zumal ich mir halt auch einfach nicht sicher bin, ob ich wirklich zu 100% hinter bzw. vor der Entscheidung stand.
Letztes Jahr ist meine Katze auf für mich tragische Weise gestorben und obwohl ich wusste, dass das nicht rückgängig zu machen ist, habe ich immer wieder gesagt und gedacht "Ich will meine Katze zurück!!". Diesen Gedanken habe ich gleich nach der OP und jetzt auch hin und wieder mal auf das Baby bezogen und bewusst gedacht. Es stellt sich zumindest kein Heulkrampf ein. Gerade in den ersten Tagen habe ich mir nicht mehr so intensiv und krass zu jeder Minute des Tages Gedanken über die Umstände gemacht, aber nun holt es mich doch wieder etwas öfter ein. Und es ist doch irgendwie immer allgegenwärtig.
Und klar, gerade weil ich nun im Internet Ausschau nach Ausbildungsstellen in Schwerin gehalten, das Leben muss ja weitergehen und der Abbruch eine reelle Rechtfertigung erfahren, aber nichts gefunden habe, was meine Vorstellungen entspricht, zweifele ich nun doch etwas daran, ob meine Pläne alle so wichtig gewesen wären. Ich habe etwas Angst davor, dass genau der Fall eintritt, der mir schon vorher Angst gemacht hat, nämlich dass meine Pläne nicht so klappen, wie ich es mir vorgestellt habe und dass der Abbruch "umsonst" war, obwohl dieser Umstand ja nur einer meiner Gründe für einen Abbruch war. Gerade in Phasen des Pro-Baby-Denkens erwische ich mich dabei, wie ich einfach alle Gründe ausblende und einfach nur noch an das potentielle Baby und das Mutter-Sein denke, wie es gewesen wäre, dass ich nun schon in der 11. Woche wäre usw.. aber zum Glück ereilt mich dennoch nicht unbedingt das Gefühl der Reue. Allerdings stellt sich mir das Ganze in meiner Vorstellung nur mit einem Baby oder einem Kleinkind bis max. 2 Jahren dar. Dennoch spielen in diesen Momenten alle meine Gründe irgendwie keine Rolle mehr und es ist als hätte es sie nicht gegeben. Ich muss mich dann bewusst wieder daran erinnern und zwar sofort, aber nicht mehr mit so einer ergreifenden Präsenz, stellt sich wieder mein Unwille ein, all die Kompromisse, die damit verbunden gewesen wären, nicht eingehen zu wollen und dass ich es nun nicht mehr muss. Dann wieder andere Momente und Phasen, in denen mir all diese Dinge wieder so präsent vor Augen sind ich ganz klar sehe, dass es für alle, vor allem für das Baby und in erster Linie auch für mich, das Beste gewesen ist. Noch dazu dann eben immer wieder die Vorstellung mich noch nicht in der Rolle einer Mutter gesehen zu haben.
Irgendwie trauere ich, obwohl es meine freie Entscheidung war, was vielleicht auch irgendwie normal ist, aber ich kann dabei keine Kontrolle mehr über meine Gedanken und Gefühle gewinnen und es nervt mich langsam. Es macht mich kirre. Es geht mir schlecht, weil ich nicht weiß, wie es mir geht....klingt ziemlich absurd, oder!?
Ich habe generell auch einfach Angst, dass ich den Abbruch irgendwann bereuen werde, weil ich einen Wunsch habe, den ich nicht einordnen kann. Ob es nun ein tatsächlicher Kinderwunsch oder eher der Wunsch nach Schwangerschaft ist, das weiß ich noch nicht und ich bin mir auch durchaus darüber bewusst, dass es nun mehr als sinnlos wäre es erneut darauf ankommen zu lassen und ich weiß einfach auch, dass ich nicht selten zu Kurzschlussreaktionen neige und sowohl darüber als auch darüber, dass mich dieses Kurzschlussreaktionen eigentlich nie in bessere Situationen gebracht haben, bin ich mir bewusst. Aber dennoch muss ich zugeben, dass die Versuchung groß ist, obwohl, und das möchte ich noch einmal ganz deutlich sagen, es nicht soweit kommen lasse, bevor ich mich nicht bereit und meine Situation als gesichert genug empfinde und das wird voraussichtlich erst in 4-5 Jahren so sein...und dann kommen da wieder die Gedanken, dass diese Zeit, wenn man beschäftigt ist, sicher wie im Flug vergehen wird, aber erstmal erscheint das alle noch sooooo lange und sooo weit weg. Zu lange und zu weit.
Ich bin mir über all die rationalen Gegebenheiten und auch über die Gedanken und Vorgänge in meinem Hirn komplett bewusst, kann aber meine Emotionen nicht bestimmen und damit in Einklang bringen. Ich weiß nicht, wie ich mich fühle und wie ich darauf reagieren soll. Vom Regen in die Traufe...
Puh....der Text ist tatsächlich noch länger geworden als ich dachte...vielen Dank jedem, der ihn dennoch bis zum Ende gelesen hat. Zumindest für den Moment oder die Dauer, in der ich den Text geschrieben habe, tat es gerade ganz gut das alles mal so Stück für Stück und konkret zu "verbalisieren" und rauszulassen...
Erging es jemandem ähnlich? Stimmt etwas nicht mit mir oder ist das alles ganz normal? Sollte ich überlegen mir professionelle Hilfe zu suchen?
Vielen Dank schon im Voraus für alle Ratschläge und sonst auch jedes ehrliche Wort.
Mit lieben Grüßen
Funnygirl2001