Medikamentöser Schwangerschaftsabbruch, Erfahrung, Ablauf, Gefühle..
Hallo ihr Lieben,
ich versuche es jetzt nochmal, nach dem ich bereits vor einigen Tagen einen ziemlich langen Text verfasst und leider (aus Unwissenheit) in das Schwangerschaftsforum gestellt hatte und extrem angefeindet wurde.
Jetzt bin ich aber im richtigen Forum und bitte jeden der das liest darum sich Anfeindungen zu sparen, denn das hilft niemandem weiter.
Ich will versuchen meine Erfahrungen mit dieser traurigen Sache zu teilen, weil ich mich, als ich mich mitten in der Entscheidungsphase befand, sehr über Berichte von anderen "betroffenen" Frauen gefreut habe.
Ich erfuhr in der 6. SS von der Schwangerschaft. Ich weiß wie naiv das klingt, aber ich war wirklich der Überzeugung, dass ich nicht ohne Weiteres schwanger werden könnte. Ich hatte Zeit meines Lebens meine Periode sehr unregelmäßig, teilweise 3-4 Monate gar nicht und bin in 10 Jahren mit meinem Ex-Freund auch nie schwanger geworden, obwohl ich damals teilweise das Gefühl hatte es wäre der richtige Zeitpunkt für ein Kind.
Nachdem Schluss war und ich mittlerweile eine Fernbeziehung führe setzte ich die Pille also ab.
Als dann allerdings meine Brüste extrem angefangen haben zu spannen, ich umgekippt bin und mir permantent übel war, ahnte ich es schon. Die darauf folgenden 3 SS-Tests waren positiv. Erstmal verfiel ich extrem in Panik ich befinde mich gerade, mit 28!, in meiner ersten Ausbildung, die Gründe dafür sind ja nicht relevant, aber für mich ging es nicht anders.
Ich versuchte also (Mittwoch Nachmittag) einen Termin bei meiner FÄ zu bekommen und erfuhr, dass diese noch die ganze Woche im Urlaub sei, also versuchte ich es bei vielen, vielen anderen Ärzten, es war extrem schwer einen Termin zu bekommen. Schließlich fand ich einen Arzt, der mir für Freitag einen geben konnte.
Meine Gedanken überschlugen sich extrem in diesen 2 Tagen, ich habe viel geweint und mich erkundigt, wie ein Abbruch ablaufen könnte. Meine Ausbildung hätte ich nicht weiter machen können, das heißt ich hätte sie frühestens 1 Jahr später fortsetzen können, mit dann schon über 30. Und mein Kind hätte die erste Zeit von Hartz IV oder ähnlichem leben müssen. Und wohin mit einem Säugling? Meine Mutter ist schwerbehindert, mein Bruder hat selbst eine Familie und 2 Kinder und mein Partner wohnt 600 KM weit weg.
Erstmal wollte ich aber den Termin abwarten, als ich dem Doc erzählte, wie meine Gedanken laufen nahm er sich sicher eine halbe Stunde Zeit, er machte Aussagen, wie "Meinen Sie nicht, dass Ihr Kind lieber von Hartz IV leben als sterben will?" Ich verstehe ihn, alle Menschen, die gegen Abbrüche sind, aber ja das dachte ich, ich dachte, so soll mein Kind nicht starten müssen. Da ich auch fest der Überzeugung bin ich könnte (jetzt noch) keine gute Mutter sein.
Er klärte mich aber trotzdem über den Ablauf eines Abbruchs auf und machte dann einen UItraschall, man sah das Herz und die Atmung und er bestätigte die 6. SS. Natürlich hatte ich starke Gefühle, es war ja immerhin in mir. Aber am meisten empfand ich Mitleid für das kleine Wesen, das sich so "unpassend" ankündigte.
Ich erhielt vom FA die Bescheinigung über die SS und ging direkt am nächsten Tag zu einem Beratungsgespräch bei Pro Familia, dort lief alles sehr ruhig und anonym ab. Die Dame klärte mich über die Möglichkeit sowohl eines medikamentösen, als auch eines operativen SS-Abbruchs auf. Und auch über die Möglichkeit der Kostenübernahme durch das Bezirksamt, über die KK.
Ich bekam eine sehr aktuelle, ausführliche Liste mit Ärzten, wer welche Methode anbot, was die Kosten ausmachen und Kontaktdaten. Sie wies mich darauf hin, dass ich sicher etwas rum telefonieren müsste bis ich einen Termin bekommen würde. Außerdem erhielt ich die Bescheinigung über die Beratung.
Nach diesem Termin ging es mir nicht wirklich gut, es war Samstag und ich konnte erstmal bis Montag nichts tun, und beschäftigte mich extrem mit der Situation. Ich kam aber immer wieder zu dem Punkt, dass ich "es" nicht bekommen könnte, dass das alles für mich und auch das Kind so kompliziert machen würde. Ich habe es mir NICHT leicht gemacht, und ich versteh auch Menschen, die mich dafür anfeinden. Aber meine persönliche Meinung ist, dass wir schon viel zu viele Kinder haben, die nicht gut leben, die viel verzichten müssen und die nicht anständig versorgt werden.
Natürlich läge es in meiner Hand, aber ich hatte mich entschieden. Also rief ich Montag beim ersten Arzt der Liste an, der in der Nähe meiner Arbeitsstelle war. Ich hatte wirklich Glück und bekam direkt für Dienstag den Termin. Man kann erst am 4. Tag nach der Beratung mit dem Abbruch beginnen.
Ich rief außerdem bei meiner KK wegen der Kostenübernahme an, diese Möglichkeit besteht, wenn das Netto unter 1.121 liegt. Ich verdiene 800 monatlich. Der Herr bei der KK sagte der schnellste Weg wäre es direkt vor Ort in eine Filiale zu gehen und dort würde ich umgehend die Bewilligung bekommen, wenn ich einen Nachweis über mein Einkommen erbringe. Also hetzte ich von der Arbeit nach Hause und direkt zur KK. Dort lief alles sehr unkompliziert. Innerhalb von 10 Minuten hatte ich die Bewilligung. In dieser Zeit lief alles ab wie ein Film, es war extrem unwirklich für mich. Und mir ging es zudem körperlich sehr schlecht. Ich konnte absolut nicht essen und trinken und musste mich dazu zwingen ab und zu was zu mir zu nehmen.
Am Dienstag ging ich dann also mit all meinen Unterlagen zum neuen FA. Dort wurde mir Blut und Urin "abgenommen" und ich kam direkt dran.
Ich hatte mich schon vorher erkundigt und mich für einen medikamentösen SS-Abbruch entschieden. Der Doc klärte mich nochmal über den Ablauf auf, machte ein Ultraschall und erklärte mir, dass in meinem Fall der medikamentöse Weg möglich sei. Diese hänge mit dem Stand der SS, mit dem Eindruck den die Frau (psychisch) macht und mit dem körperlichen Zustand zusammen.
Es wurden mir keine großartigen Fragen mehr gestellt, er sagte nur, dass er davon ausginge, dass ich mir sicher sei, wenn ich nun schon dort sitze.
Ich bekam direkt in der Praxis eine Tablette Mifegyne, die ich vor der Sprechstundenhilfe nehmen musste. Der Arzt erklärte mir, dass ich hiervon noch nicht viel merken würde, höchstens leichte Blutungen nach etwa einem Tag.
In zwei Tagen bekam ich einen neuen Termin.
Die ersten Stunde merkte ich tatsächlich nichts, am nächsten morgen finden allerdings Blutungen an, die im Laufe des Tages immer stärker wurden. Ich rief nochmal beim FA an und erkundigte mich ob das normal sei, es sei alles in Ordnung erklärte mir die Helferin.
Die Blutungen und die Schmerzen wurdem im Laufe der Nacht so schlimm, wie ich es noch nie erlebt hatte. Ich litt sehr, auch psychisch, da ich gefühlt habe, dass das "Kind" vermutlich schon abgegangen ist. Am nächsten Morgen waren die kompletten SS-Symptome verschwunden, nur die Schmerzen und die Blutungen blieben. Außerdem war ich extrem weinerlich und depressiv.
Ich ging dennoch arbeiten und nachmittags wieder in die Praxis. Dort hatte ich ein kurzes Gespräch und beschrieb dem Arzt wie alles abgelaufen war. Er sagte nur "Dann ist es wohl schon passiert, aber wir machen trotzdem weiter".
Ich bekam 4 Tabletten Cytotec und 2 Tabletten Tilidin. Abends sollte ich erst das Tilidin als Schmerztablette nehmen, eine halbe Stunde später das Cytotec in Wasser auflösen, die Hälfte trinken und eine erneute halbe Stunde später den Rest.
Ich hatte am meisten Angst vor dem Tilidin, da ich gelesen hatte, dass dieses sehr sehr stark sein sollte.
Was auch der Fall war, ich hatte extreme Stimmungsschwankungen und habe alles viel bunter gesehen, als ich die Hälfte des Cytotecs nahm merkte ich nichts, außer ein Rumoren im Unterleib, genauso nach der zweiten "Runde".
Als die Wirkung des Schmerzmittels nach ließ bekam ich normale Unterleibsschmerzen, wie bei der Regel und die Blutungen blieben.
Ich nahm die Tabletten am Donnerstag und am Montag hatte ich einen Termin zur Nachkontrolle.
Den FA hatte ich direkt nach Verhütung gefragt und er erklärte mir, dass ich gleichzeitig mit dem Cytotec auch mit einer Pille anfangen könnte, was ich dann auch tat.
Meine Gefühle waren erstmal wie betäubt, man macht sich zunächst Sorgen, dass alles funktioniert hat. Und man kämpft natürlich mit seinem Gewissen. Aber ich kam immer wieder zu dem Punkt, dass es das beste für mich und das Kind war.
Die Blutungen waren Montag immernoch da. Ich führte nochmal ein kurzes Gespräch mit dem Arzt und er machte einen Ultraschall, das ganze war in 2 Minuten durch und seiner Aussage nach hatte "alles funktioniert". Er sagte mir noch, dass ich nicht in Depressionen verfallen sollte, dass nur meine Entscheidung und Empfindung wichtig sei.
Die Blutungen sind heute immer noch ganz leicht da, ansonsten merke ich nichts mehr.
Außer natürlich psychisch, auch wenn man diese Entscheidung trifft und nicht bereut, nimmt es einen natürlich mit. Und man muss sehr, sehr viel darüber nachdenken, sich damit beschäftigen und mit sich selbst ins Reine kommen. Verdrängung ist denke ich das Letzte was hier hilft. Man hat eine lebensverändernde Entscheidung getroffen und damit muss man leben.
Ich kann nicht sagen, wie ich auf Dauer damit klar kommen werde, aber das wird sich zeigen. Jetzt geht es mir "gut" damit, weil ich versuche es zu verarbeiten und damit umzugehen.
Ich wollte hiermit auch nur Frauen helfen, die vielleicht vor der Entscheidung stehen. Wenn es aus der persönlichen Sicht irgendeine Möglichkeit gibt, dass es Kind und Mutter nach der Geburt gut geht, sollte man das Kind immer bekommen. Für alle, die nicht zu diesem Schluss kommen, habe ich das geschrieben, vielleicht kann es helfen einen persönlichen Bericht zu erhalten.
Ich hoffe es gibt keine Anfeindungen, denn ich betone ganz extrem, man darf sich diese Entscheidung niemals leicht machen, denn es beeinflusst ALLES.
Also dann, ich wünsche euch einen schönen Tag.
Liebe Grüße