Ich schreibe hier nicht als betroffene Frau, sondern als Mutter einer jungen 19-jährigen Tochter, die sich in der vorletzten Woche zu einem medikamentösen Abbruch entschlossen hat, und möchte mir hier die Erfahrungen von der Seele schreiben, die wir in der letzten Woche gemacht haben.
Es begann alles am letzten Sonntag, als meine Tochter mich gegen Abend anlief und mir anvertraute, dass sie schwanger sei. Sie und ihr Freund hatten verhütet, aber etwas schien schiefgelaufen zu sein. Da sie sich selbst noch nicht in der Rolle als Mutter sehen könne und auch noch keinerlei Berufsausbildung hat, hätte sie sich zu einem SSA entschlossen.
Ich habe mich in dieser Situation sehr hilflos gefühlt und ihr gesagt, dass ich zu ihr stehen würde, unabhängig von der Entscheidung, selbst wenn sie im letzten Moment ihre Meinung ändern und das Kind bekommen würde. Es wäre für mich absolut in Ordnung gewesen.
Ich selbst bin Mutter von zwei Kindern, Witwe und habe meine Beiden ohne große familiäre Unterstützung allein großziehen müssen. Es war sicher oftmals sehr, sehr schwer und ich weiß, dass ich nicht immer die perfekte Mutter war, aber ich kann sagen, dass ich beide Kinder mit all meiner Liebe, Geduld und viel Verständnis erzogen habe und zu beiden eine innige und liebevolle Bindung habe.
Ich habe also ihre Entscheidung akzeptiert, denn schließlich ist es ihr Leben und ihre Zukunft über die sie entscheidet und sie ist diejenige, die entweder mit der einen oder anderen Entscheidung und den Konsequenzen daraus, irgendwie weiterleben muss.
Kurzum: Sie war zu diesem Zeitpunkt schon bei ihrer Gynäkologin und bei ProFamilia gewesen, hatte sich alle Unterlagen besorgt und den gesamten Ablauf mit Hilfe von vermeintlichen Freunden und Freundinnen geplant.
Aus irgend einem Grund hatte ich von Anfang an ein ganz schlechtes Gefühl und habe nur gewußt, dass ich sie unter gar keinen Umständen in dieser Situation allein lassen darf, und diese Gefühle wurden leider auf das Schlimmste bestätigt.
Es fing damit an, dass die vermeintlichen Freunde plötzlich wie vom Erdboden verschwunden waren. Also habe ich meine Tochter begleitet, und was wir dann in der Praxis erleben mussten, war unbeschreiblich.
Meine Tochter hatte beim ersten Termin Tabletten bekommen, die die Versorgung des Fötus unterbrachen. Bis hierhin war alles wie von ihr geplant gelaufen. Beim zweiten Termin jedoch stellte sich heraus, dass ihre Gynäkologin, die sie wegen des SSA angelaufen hatte, eine absolute SSA-Gegnerin ist. Sie bekam abermals Tabletten (von einer Schwester), aber sollte diesmal den eigentlichen Abtreibungsprozess von zirka 2 Stunden im vollen Wartebereich neben Schwangeren und jungen Müttern mit kleinen Kindern durchstehen
Als die Wehen einsetzten habe ich um einen Rückzugsraum für meine Tochter gebeten und dieser wurde uns verwehrt. In meiner Verzweifelung habe ich sie in das Behinderten-WC der Praxis gezogen. Sie hat sich dort leicht übergeben und konnte sich vor Schmerzen nicht mehr auf den Füßen halten. Sie war gezwungen, sich dort auf die kalten und nackten Fliesen zu legen und die Schmerzen bis zum Ende durchzustehen. Ich habe sie während dieser Zeit in meinen Armen gehalten, sie gestreichelt und getröstet so gut ich konnte.
Die Ärztin hat sich nicht mehr um uns gekümmert, sondern weiter die anderen Patientinnen behandelt.
Erst als als die Schmerzen nachließen und die Blutung einsetzte, kam eine der Schwestern und meine Tochter durfte sich für eine halbe Stunde auf eine Ruheliege in einem der Behandlungszimmer ausruhen. Die Ärztin hat dann einen Kollegen geschickt, der das Zimmer mit den Worten betrat:
Ich könnte ja jetzt schadenfroh sein, aber ich habe gehört, dass Sie sich übergeben haben ... (bereit die 2. Runde einzuläuten).
Als ich ihm dann mitteilte, dass die Blutungen bereits eingesetzt hätten, wurden wir zurück ins Wartelzimmer geschickt um dort auf die Ultraschalluntersuchung, die durch die Bauchdecke gemacht wurde, zu warten.
Während dieser Zeit wurde am Patientenempfang, der sich direkt am Wartebereich befindet, heftig getuschelt und sich das Maul zerrissen.
Abschliessend: Wir wurden nach Hause geschickt, mußten den Abgang des Fötus selbst kontrollieren und die blutige Vorlage samt Fötus selbst entsorgen.
Ich bin noch heute dabei, um Fassung zu ringen, denn das Ganze war wie eine Art Bestrafungsprozess abgelaufen.
Meine Tochter hat auf der gesamten Heimfahrt geweint.
Ich bin froh, dass es ihr mittlerweile wieder besser geht Sie steht auch weiterhin zu ihrer Entscheidung.
Aber ich habe den Nachuntersuchungstermin für sie bei einem anderen Arzt vereinbart, um meiner Tochter weitere seelische Grausamkeiten zu ersparen.
Desweiteren überlege ich, ob es Sinn die Ärztekammer über diesen Vorfall zu informieren.