Die Entscheidung ist gefallen :TRISTE:
Hallo liebes Forum.
Erst einmal danke für eure zahlreichen Zuschriften, Aufmunterungen, lieben Worte und nette PN's. Hinter jeder Nachricht steckt eine persönliche Geschichte, man merkt, wie ihr gekämpft und selbst im Gewissenskonflikt gesteckt habt. Ich bewundere die unter Euch, die es trotz Kind geschafft haben, ihre Ziele zu verwirklichen! Ihr habt/hattet die Kraft, die ich nicht habe...
Die letzte Woche war sehr turbulent.
Am Montag hatten mein Freund und ich das Beratungsgespräch bei Pro Familia. Das erste, was die Sozialarbeiterin fragte, war, ob ich die Konfliktberatung wünsche, die zur Ausstellung des Beratungsscheins führt, oder ob ich Möglichkeiten aufgezeigt bekommen möchte, bei wem ich finanzielle Hilfen beantragen könnte, wenn ich mich für das Kind entscheide. Ich bat dann um beides. Ich hatte wirklich einen sehr positiven Eindruck von der Sozialarbeiterin, sie hat uns wirklich zugehört und vor allem ergriff sie KEINE wertende Position, also hat weder versucht, mich pro Kind zu ermutigen, noch mir zur Abtreibung zu raten. Sie hat nur versucht mir aufzuzeigen, was es wahrscheinlich bedeutet, ungelernt ein Kind zu haben, und dass ich lange von Hartz4 leben würde. Dass ein Kind uns finanziell zurückwerfen würde, dass es aber auch Hilfen gibt, zB Babyerstausstattung, kirchliche Fonds die in Härtefällen Zuschüsse geben etc. Dass man auch in einem Urlaubssemester als Mutter Klausuren schreiben kann (was sonst nicht möglich ist) und dass es im Urlaubssemester sogar möglich ist, Unterstützung von der Arge zu erhalten. Aber ob ich es nervlich schaffe, zu lernen und nebeinbei einen Säugling zu betreuen, das müsste ich selbst entscheiden.
Sie hat sich die Sicht meines Freundes angehört und mich dann gefragt, warum ich denn solche Probleme mit einem Abbruch hätte. Ich entgegnete, weil ich der Meinung bin, dass ich das nicht mehr alleine bestimmen könnte meiner Meinung nach, dass das menschliche Leben für mich mit der Zeugung beginnt und dass es egoistische Motive sind, wegen fehlenden Geldes dem Kind das Leben zu verwehren...
Dann sagte sie einen Satz, der mir in den Ohren hängen geblieben ist und der mir die Entscheidung etwas leichter gemacht hat. Sie sagte, "manchmal reflektiert es auch Verantwortunsbewusstsein, wenn man eben KEIN Kind in solch unsicheren Verhältnissen aufzieht". Sie war sichtlich berührt von unserer Geschichte, eben weil wir das Kind eigentlch gerne hätten, aber es leider zum ungünstigsten Zeitpunkt unterwegs ist. Ich kann mir denken, dass auch viele Frauen und Mädchen dahin kommen, die einfach nur den Schein wollen und gut. Ihr fiel auch auf, dass mein Freund mich mit seinem Standpunkt "keine Adoption, keine Fremdbetreuung in den ersten 3 Jahren", sehr unter Druck setzt. Denn ich habe eine Adoption nicht gänzlich ausgeschlossen bzw hätte mir eine Betreuung für Kinder bis zu 3 Jahren gesucht, damit ich meine beruflichen Ziele weiter verfolgen kann. Das kommt leider für meinen Freund nicht in frage, er sagt man bekommt kein Kind, um es dann "abzuschieben", dann wäre ich nicht besser als meine Mutter (die mich weggegeben hat, als ich 4 war und meine Schwester gleich nach der Geburt), und ein Baby braucht in der ersten Zeit seine Eltern. Er meinte, einer Adoption würde er niemals zustimmen, eher würde er das Kind alleine von der Stütze groß ziehen. Das möchte ich aber auch nicht, ich würde mir schon wünschen, dass wir eine FAMILIE sind, mit Mutter UND Vater...nicht so wie ich das hatte als Kind...
Und der Gedanke, mein Leben lang von Hartz4 leben zu müssen, ist für mich unerträglich. Aber mit Anfang 30 brauch ich nicht nochmal ein Studium anzufangen oder auf eine Ausbildung hoffen. Es wird mich niemand mehr einstellen...
Ich habe wirklich hin und her gegrübelt...mit was könntest du eher leben? Kind und Armut? Dein Leben lang halbtags bei Lidl kassieren? Obwohl du Abitur hast und ein Studium zu 80% fertig? Oder das Kind jetzt NICHT zu bekommen, aber beruflich Fuß fassen und dich ein paar Jahre später, in gesicherteren Verhältnissen, nochmal bewusst FÜR ein Kind zu entscheiden? Auf was soll ich hören, Herz oder Verstand? Das Herz sagt ja, der Verstand schreit nein...
Am Mittwoch bin ich dann zur Krankenkasse gegangen und habe mir die Kostenübernahme für einen Abbruch aushändigen lassen. Die Sachbearbeiterin war auf einen Schlag sowas von oben herab und unfreundlich, als ich mein Anliegen äußerte und den Beratunsschein vorlegte. Sie musterte mich wie ein ekliges Insekt und gab mir widerwillig nach Überprüfung meines finanziellen Hintergrundes die Kostenübernahmebescheinigung. Ich fragte sie, ob der medikamentöse Abbruch mit Mifegyne auch von der Krankenkasse übernommen wird, sie entgegnete nur schnippisch: Das müssen sie ihren Arzt fragen!
Ich verließ das Gebäude und fühlte mich einfach nur schlecht...und wütend, weil diese Frau meine Geschichte überhaupt nicht kennt, sie nicht weiß wie schwer mir diese Entscheidung ohnehin fällt und sie mich behandelt hat wie den letzten Dreck...dann dachte ich mir, vielleicht kann diese Frau nicht anders, vielleicht hat sie ein Kind verloren oder kann keine bekommen und verurteilt dich dann dafür...aber hat sie dann den richtigen Job? Sie kann ja denken was sie möchte, aber sie darf sich das in ihrer Position nicht anmerken lassen...
Am Donnerstag waren mein Freund und ich bei meiner Frauenärztin. Der Embryo ist in einer Woche von 0,26cm auf 0,9cm gwachsen. Zum Glück war noch keine Herztätigkeit zu erkennen, sonst weiß ich nicht, ob ich nicht schreiend vom Stuhl gesprungen wäre :TRISTE:
Meine Frauenärztin steht neutral zu Schwangerschaftsabbrüchen, sagte zwar, dass es in meiner Lage wirklich verzwickt sei und sie sieht, wie schwer es mir fällt, zumal ich mir ja eigentlich Kinder wünsche. Aber sie hat mich sofort ohen Moralpfredigt an eine Kollegin überwiesen, die mit Mifegyne arbeitet, weil sie selber keine Abbrüche durchführt.
Ich habe dann am Freitag bei der Kollegin angerufen. Die Sprechstundenhilfe war sehr nett und hat sich am Telefon auch wirklich Zeit für mich genommen. Sie sagte, das ist Quatsch, dass man den Arzt fragen muss wegen der Kostenübernahme, sobald man die Kostenübernahmebescheinigung hat, wird der Abbruch von der Krankenkasse übernommen, egal ob medikamentös oder chirurgisch. Sie erklärte mir auch den Ablauf, dass ich Montag um 9 (also morgen) kommen soll, die ersten Tabletten erhalte, worauf ich eine Blutung bekommen werde, dann am Mittwoch die zweiten, woraufhin die Schwangerschaft ausgestoßen wird. Danach muss ich nochmal zur Kontrolle. Sie sagte, dass sie mehrheitlich sehr gute Erfahrungen mit Mifegye gemacht haben.
Trotzdem habe ich Angst und hasse mich für die Entscheidung, die ich getroffen habe. Ich werde immer denken, hättest du es nicht vielleicht doch geschafft? Was ist, wenn deinem Freund etwas passiert und du kein Kind mehr mit ihm haben kannst? Er ist immerhin fast 40 und chronisch krank...er sagt einerseits, es ist die beste und vernünftigste Entscheidung, das Kind nicht zu bekommen, aber andererseits sagt er, das ist vielleicht seine letzte Chance, etwas von ihm auf diesem Planeten zu hinterlassen, für das er sich aufopfern und das er lieben kann???
Ich habe den neuen Plan, im Herbst auf die FH zu wechseln und da umzusatteln. Damit ich nochmal eine Chance habe, mein Studium zu beenden und damit alles nicht umsonst war. Damit ich mit 30 fertig bin. Aber um welchen Preis? Ist der Preis nicht zu hoch??? Zwar bin ich etwas ruhiger, seitdem ich eine Entscheidung getroffen habe, aber Zweifel werden immer bleiben. Abends liege ich im Bett und weine. Weine um das Kind, das nicht auf die Welt kommen wird.
Ich zähle die Stunden, in denen es noch in meinem Bauch sein wird. Zum Zeitpunkt, zu dem ich das schreibe, also noch ca. 12 Stunden...Ich will es nicht hergeben :TRISTE:
aber es geht nicht anders....ich habe Angst gehabt, meinem Vater von meiner Schwangerschaft zu erzählen. Er hätte mich verurteilt und noch mehr unter Druck gesetzt. Warum hast du so lange studiert, um dir dann jetzt ein Blach andrehen zu lassen, und das von SO EINEM, etc....
Ich weiß nicht, was morgen mit mir sein wird, wenn ich diese Tabletten nehmen soll. Ich weiß nicht, ob ich es kann. Ob ich nicht heulend aus der Praxis renne. Oder ob ich stark genug bin. Aber mich dann dafür hasse...Die Pro Familia Beraterin meinte, ich kann jederzeit wieder kommen, egal ob ich mich für oder gegen das Kind entscheide. Falls ich nicht mit einem Abbruch zurecht kommen sollte (was der Fall sein wird), dann kann ich auch jederzeit in die psychologische Beratung von pro Familia kommen.
Mein Freund hatte eine schöne Idee. Er meinte, wir sollten uns von unserem Kind verabschieden. Das Ultraschallbild an einen Luftballon binden und einen Brief, dass wir es lieben, nie vergessen und dass es zu einem günstigeren Zeitpunkt zurück kommen darf :TRISTE:
Wünscht mir Kraft. Ich werde weiter berichten.
Todunglücklich, eure Elena