Der Geburtsbericht meines 2. Sohnes Mat.ti Raf-ael :-)
Kurz vorweg: Vor fast genau 2 Jahren kam mein 1. Kind per geplantem Kaiserschnitt wegen Beckenendlage auf die Welt. Nach langem hin und her, denn ich war mir unsicher und sehr ängstlich, wünschte ich mir nun eine spontane Geburt. Ich begann mich frühzeitig mit dem Thema "natürliche Geburt nach Sectio" zu beschäftigen, las Bücher dazu und tat auch sonst allerhand zur Geburtsvorbereitung - Himbeerblättertee, Heublumensitzdampfbäder, Akupunktur, Dammmassage usw. Ich wusste, dass eine spontane Geburt nach KS nicht selbstverständlich ist, weshalb ich mich möglichst gut vorbereiten wollte. Dabei habe ich auch im Internet nach Geburtsberichten von Frauen in dieser Situation gesucht und war über jede Information froh, deshalb schreibe ich meinen Bericht auch sehr ausführlich, um damit vielleicht der ein oder anderen Schwangeren mit Zustand nach Sectio ein paar wertvolle Informationen zu liefern.
Am 24.8. (Samstag) war der ET, aber es tat sich nichts. Zwar verlor ich seit einigen Tagen immer wieder Schleim und es waren auf dem CTG leichte Wehen zu sehen, aber ich spürte sie kaum. Meinen nächsten Untersuchungstermin hatte ich am Montag, 26.8. bei meiner FÄ.
Zu diesem Termin kam es aber nicht mehr, denn am 26.8. gegen 1 Uhr Nachts wachte ich mit Wehen auf. Die Wehen waren deutlich spürbar, aber erst leicht schmerzhaft, sie kamen in Abständen von 7-10 Minuten. Bis 3 Uhr konnte ich noch schlafen, dann stand ich auf, bereitete für meinen Sohn das Frühstück und die Kindergartentasche vor, ging noch einmal alles durch und beruhigte zwischendurch meinen Mann, der schon total aufgeregt war. Ich wusste, es würde heute soweit sein, wenn ich auch noch warten wollte. Bis 7 Uhr morgens schaute ich Fernsehen, lief herum, duschte, zog mich an, schminkte mich ein bisschen ;-) und wartete. Ja, da ahnte ich noch nicht, dass warten heute meine Hauptbeschäftigung werden würde...
Gegen halb 8 Uhr morgens kam meine Schwester, die den Großen in den Kindergarten bringen sollte. Meine Wehen waren zwar immer noch auszuhalten, kamen aber alle 5 Minuten und dazwischen war mir übel. Also wollte ich jetzt ins Krankenhaus. Dort angekommen, wurde ich vorerst in ein "Notzimmer" gebracht, weil die Station voll war. Ich wurde stationär aufgenommen, musste einige Formalitäten erledigen und war gegen 9 Uhr erstmals am CTG. Ja, Wehen waren da, aber leider zu schwach und mit zu großem Abstand. Am meisten enttäuschte mich aber die Muttermunduntersuchung - 1 cm offen :-(
Die nächsten Stunden verbrachten wir hauptsächlich mit laufen, laufen, laufen. (Ich entband in einem sehr kleinen Krankenhaus, wir liefen also alles hundertmal ab, was wirklich langweilig war.) Aber so sollte der ganze Vorgang beschleunigt werden. Außerdem bekam ich zwischendurch einen Einlauf, um die Wehen anzuregen. Etwa alle 2 Stunden wurde CTG geschrieben, mit immer dem selben Ergebnis: Wehen alle 5 Minuten, aber zu schwach. MuMu war bei 2 cm... Geduld war angesagt.
Nach dem Abendessen ließ mir eine sehr liebe Hebamme ein heißes Bad mit allerlei Ölen darin ein, welches ich ausführlich genoss. Mittlerweile war ich ziemlich müde, meine letzte Nacht war ja sehr kurz gewesen und das ganze Gelaufe unter Wehen strengte mächtig an. Danach (ca. 20 Uhr) kam ich endlich auf ein richtiges Zimmer mit einem richtigen Bett für mich, ich mummelte mich dick ein und schickte meinen Mann nach Hause. Um 22 Uhr sollte ich wieder zum CTG erscheinen, bis dahin wollte ich endlich etwas schlafen.
21:30 Uhr stand ich auf (ich konnte tatsächlich etwas schlummern), denn ich wollte noch eine halbe Stunde durchs Krankenhaus watscheln, um die Wehen anzuregen. Nach dem Bad im gemütlichen Bett hatte ich nämlich keine Wehen mehr gespürt :roll: Also lief ich wieder Treppen, blieb an langweiligen Schautafeln stehen, kreiste mein Becken wie eine Bauchtänzerin und ging gefühlt tausendmal aufs Klo, wo ich auch jedesmal sehr viel Schleim, teils mit Blut, verlor. Ich bekam auch wieder Wehen, die ich schon recht schmerzhaft fand. Pünktlich 22 Uhr war ich wieder im Kreißsaal, wo mich die Nachthebamme erwartet. Leider war die richtig unsympathisch und ungefähr 100 Jahre alt. Die ersten Worte, als ich am CTG lag, waren "Na, viel ist da ja nicht los". :shock: Na danke, sehr motivierend. Ich erzählte ihr, dass ich in der letzten halben Stunde viel Schleim verloren habe und jetzt auch wieder - recht starke - Wehen habe. Tatsächlich sah man auf dem CTG keine Wehen, obwohl ich sie jetzt deutlich schmerzhaft spürte. Sie ging weg, um den Arzt zu holen und kaum war sie aus dem Raum, spürte ich etwas warmes aus mir laufen. :shock: War das Fruchtwasser??? Ich war irritiert, es war nur ein kleiner Schwupp, aber Urin konnte es eigentlich nicht sein, ich war zuvor ja so oft auf dem Klo. Als sie wiederkam, hörte ich, wie sie zum Arzt sagte "... und sie hat das Gefühl, dass es stärker geworden ist." Ich hing direkt dran "und jetzt habe ich das Gefühl, dass die Fruchtblase geplatzt ist." Ich drehte mich auf den Rücken und plötzlich liefen gefühlte 10 Liter Wasser aus mir raus, also stimmte es wirklich.
Hier fiel mir der Blick der Hebamme auf, als sie das Fruchtwasser sah - es war nämlich grün. Der Arzt fand das aber nicht wieder schlimm, solange das CTG in Ordnung ist und die Geburt voran geht. Mit einem Schlag bekam ich nun richtig heftige Wehen, wirklich viel viel stärker als am ganzen Tag. Doch was war?? Das CTG zeigte sie nicht an. Ich dachte, ich spinne!!! Und diese blöde Hebamme glaubte mir nicht, dass ich starke Schmerzen habe. Jetzt wollte ich meinen Mann anrufen, was die Hebamme mir ausreden wollte. Wir wären doch noch ganz am Anfang, soll mein Mann ruhig noch etwas schlafen. HALLO??? Mir geht's beschissen, ich brauche Unterstützung. Also habe ich ihn angerufen und nach 10 Minuten war er auch schon da (dabei konnte die Hebamme gar nicht oft genug sagen, dass es ja noch soooo lange dauern würde). Es war jetzt 23 Uhr, der Arzt machte einen Ultraschall und untersuchte den MuMu, Ergebnis: MuMu 2 cm (aber "gerade so"),laut CTG keine Wehen (haha), grünes Fruchtwasser, Kind liegt in hinterer Hinterhauptslage und kommt momentan noch nicht ins Becken, ich sollte mich auf die rechte Seite legen und - warten. In einer Stunde wieder Kontrolle.
Die folgende Stunde war für mich die Hölle. Ich hatte so heftige Schmerzen, dass ich mich zum Atmen zwingen musste. (Eine PDA kam aufgrund meines Kaiserschnitts ja leider nicht in Frage.) Auch zwischen den Wehen (die es laut CTG ja nicht gab :evil: ) tat mir alles weh und ich konnte nicht entspannen. Ich wimmerte eigentlich nur die ganze Zeit und hoffte, dass es bald vorbei sein würde.Außerdem zitterte mein Körper als würde ich frieren, die Hebamme legte mir schon 2 Decken über, aber ich zitterte immer noch. Ich konnte absolut nichts dagegen tun. Entspannen und "sich öffnen" kann man dabei natürlich vergessen.Die ganze Vorfreude auf eine natürliche Geburt - auch auf die Schmerzen, die mir schließlich mein Kind bringen würden - war weg. Stattdessen verstärkte sich das Gefühl, dass irgendwas nicht stimmte. Leider war ich fast die ganze Zeit auf mich alleine gestellt, weil diese blöde Hebamme nie da war. Sie kam immer mal kurz rein, schaute und ging wieder. An meiner Seite stand nur mein Mann, der mir aber auch nicht helfen konnte und selbst Tränen in den Augen hatte, weil er mich so sah. Gegen Mitternacht hielt ich es nicht mehr aus, ich ließ den Arzt kommen, weil die Schmerzen einfach zu stark wurden. Ich fragte, ob man nicht - verdammt nochmal - irgendwas gegen diese Schmerzen machen könne, denn sie raubten mir den Verstand. Nö, könne man nicht. Es gäbe an wirksamen Mitteln nur die PDA und die dürfe ich ja nicht bekommen. Aber untersucht wurde ich wieder, mit dem Ergebnis: MuMu 2 cm (unglaublich...), Kind immer noch nicht in Geburtsposition, Wehen zu schwach (ich betone wieder - laut CTG). Immer wieder geisterte nun der Begriff "Wehentropf" durch den Raum, was mich vor Angst rasend machte. Ich hatte doch schon soooo schlimme Wehen, was soll da bitte noch stärker werden??? Aber der Arzt legte sich jetzt fest, es muss nun vorwärts gehen, sonst muss er eingreifen. 1 Stunde wollte er noch warten, 1 Stunde voller Qual und Schmerzen für mich. Ich redete mit meinem Mann immer wieder darüber, ob wir einen Kaiserschnitt verlangen sollten, weil ich das Gefühl hatte, es würde so nicht klappen. So sehr ich es mir gewünscht hatte, ich spürte einfach, dass irgendwas nicht stimmte. Aber noch hielt ich an meinem Vorhaben fest und wollte spontan gebären.
1 Uhr Nachts - ich stand kurz vorm Kollaps, zitterte wie Espenlaub und war soooo müde - stand der Arzt wieder zwischen meinen Beinen: MuMu 3 cm ("gerade so"), Fruchtwasser mittlerweile dunkelgrün und voller Mekonium, er müsse jetzt einen Wehentropf anschließen, denn so geht's nicht weiter. Doch dann schaute er sich das CTG an, ich sah schon seinen erschrockenen Blick und plötzlich fiel der Satz "Bei dem CTG kann ich keinen Wehentropf verantworten - Kaiserschnitt in 20 Minuten." Obwohl ich die ganze Zeit merkte, dass irgendwas nicht ok war, war ich jetzt doch geschockt. Tränen brannten in meinen Augen und eine riesige Welle von Enttäuschung und Trauer ging einmal durch meinen ganzen Körper. Er griff schon zum Telefon und rief Schwestern, Kinderarzt, Anästhesist und Chirurg zusammen, nebenbei machte die Hebamme mich op-fertig, dann schrien Arzt und Hebammen sich auch noch an (Arzt ging das alles nicht schnell genug), Arzt lästerte über den unfähigen, ausländischen Kollegen, der ihm jetzt als Chirurg zur Hand gehen würde (juhu) usw. Ich dachte zwischendurch wirklich, ich sei im falschen Film. Außerdem brachten die Wehen mich immer noch fast um, was niemanden so wirklich interessierte. Mein Mann durfte aufgrund der Situation leider nicht mit in den OP, was wir so hinnahmen. Ich hatte einfach keine Kraft mehr, irgendwas in Frage zu stellen oder zu diskutieren.
Glücklicherweise ging jetzt alles recht schnell, kurz nach 1 (27.8.) war ich im OP, wurde dort endlich von meinen Schmerzen erlöst (dank Spinalanästhesie) und konnte sogar ein paar Witze mit dem Personal machen. (Anästhesist: "Also wirklich, müssen Sie uns ausgerechnet Nachts um 1 zum Kaiserschnitt wecken?" - Ich: "Ach, an mir liegt's nicht, ich bin seit gestern morgen um 8 hier") Dann ging's los, ich wurde in Position gebracht, abgeklebt und schließlich aufgeschnitten. Der Arzt drückte und rüttelte an mir rum, ich hörte, wie er zum ausländischen Chirurgen sagte "Das ist die Gebärmutter, direkt darunter liegt das Kind, also vorsicht" und schwupps, füllten die ersten kräftigen Schreie meines Sohnes (1:17 Uhr) den Raum. Das ganze OP-Team ließ sich augenblicklich ausführlich darüber aus, wie groß das Kind doch sei und ich verrenkte mir den Kopf, weil ich endlich mein Kind sehen wollte ;-) Dann war es soweit, die Hebamme hielt mir den kleinen Mann ans Gesicht und ich konnte einige Minuten mit ihm genießen (das fand ich sehr schön, war bei dem 1. Kaiserschnitt nämlich nicht so), ihn riechen, küssen, anfassen, herrlich! Dann wurde er zum Papa in den Kreißsaal gebracht und ich wurde zugenäht. Was ich dabei so zu hören bekam - seitens der Konversation von meinem Arzt und dem Chirurgen - will ich gar nicht wiedergeben. Jedenfalls wirkte es so, als würde der Chirurg das 1. Mal operieren, denn mein Arzt musste ihm alles sagen, was er zu tun und vor allem zu lassen hatte... Ist schon komisch, wenn man das mit anhören muss. Der Arzt sagte mir noch, dass das Gewebe um die Narbe sehr dünn gewesen sei und er befürchtet, dass es bei einem Kind dieser Größe und dieses Gewichts zu einer Ruptur gekommen wäre (wahrscheinlich waren das auch die starken Schmerzen, die ich hatte). Der Kaiserschnitt wäre also letztendlich die richtige Entscheidung gewesen.
Etwa 1 Stunde später war ich endlich wieder im Kreißsaal und bekam meinen wunderschönen, wirklich sehr großen Sohn (4165 Gramm auf 57 cm) an die Brust gelegt, wo er auch sofort anfing zu saugen. (Er sah übrigens ganz schön ramponiert aus, der Kopf war durch seine Fehllage ganz zerbeult und blaue Flecken hatte er auch, weil er eingeklemmt war) Ich war mittlerweile so müde, dass ich immer wieder einschlief. Die Hebamme schickte meinen Mann dann nach Hause und ließ mich und mein Baby noch 1 Stunde in Ruhe schlafen, bevor ich im Morgengrauen auf mein Zimmer gebracht wurde. Auch wenn der 1. Tag sehr schmerzhaft war, erholte ich mich gut von der ganzen Prozedur und bin trotz aller Enttäuschung glücklich, einen gesunden Jungen zur Welt gebracht zu haben.
Ein Wort noch speziell an die, die in einer ähnlichen Situation sind und sich nach einem Kaiserschnitt eine natürliche Geburt wünschen: Es kann helfen, wenn man sich im Vorfeld ein bisschen mit der Thematik beschäftigt, dann versteht man unter der Geburt, warum Ärzte und Hebammen diese oder jene Entscheidungen treffen, warum man z.B. keine PDA bekommt oder warum ggf. auch wieder ein Kaiserschnitt gemacht werden muss. Dadurch ist man vielleicht nicht ganz so enttäuscht bzw. macht sich keine Vorwürfe, dass es wieder nicht geklappt hat oder eben, dass "man es wieder nicht geschafft hat". Diese Vorwürfe sind natürlich totaler Quatsch, man kann als Frau nämlich nichts dafür. Bei mir beispielsweise kamen mehrere Faktoren zusammen, die für sich alleine keinen Kaiserschnitt zur Folge gehabt hätten, alle zusammen aber eben doch:
1. Die Kindslage (hintere Hinterhauptslage), wodurch das Kind nicht in den Geburtskanal kam, keinen Druck auf den Muttermund ausüben konnte, weshalb dieser sich nicht öffnete
2. Wirkungsarme Wehen, die kaum die Geburt vorantrieben, obwohl sie sehr schmerzhaft waren (dazu unbestimmte Schmerzen auch zwischen den Wehen, was immer ein Alarmzeichen ist)
3. grünes Fruchtwasser - Vergiftungsgefahr
4. präpathologisches CTG, also das CTG zeigte erste Auffälligkeiten
5. meine körperliche Erschöpfung, das stetige Zittern und die Müdigkeit
6. allgemein der Zustand nach Sectio, bei dem die Geburt eigentlich nicht länger als 24 h dauern sollte, um nicht zu lange Druck auf die alte Narbe auszuüben.
Ich habe lange gekämpft und gehofft, musste letztendlich aber doch den Notausgang akzeptieren. Auch wenn ich etwas traurig bin und mir wirklich wünsche, einmal mein Kind als 1. zu spüren, wenn es aus mir hinaus kommt, überwiegt doch die Erleichterung, dass unterm Strich alles gut gegangen ist. Zumal ich nicht leugnen kann, dass ich auch ein kleines bisschen stolz bin, mich immerhin 24 Stunden da durch gequält und damit meinem Sohn ermöglicht zu haben, den Geburtszeitpunkt selbst zu wählen.