Nur Mut!
Hallo Schlumpfine,
hier sind schon viele gute Antworten eingegangen, und ich wiederhole vielleicht nur, was die anderen sagen, aber ich würde dir auch gern Mut FÜR das Kind machen, und vielleicht ein, zwei Argumente anführen, die glaube ich noch nicht da waren:
Bevor ich überhaupt in irgendwelche Erklärungen über Mutterliebe einsteige, würde ich dich gern daran erinnern, dass du dich im Moment auch hormonell in einem Ausnahmezustand befindest. Fast jede Frau macht am Anfang der Schwangerschaft eine absolute Achterbahn der Gefühle durch, von Ängsten und Depressionen über Wut bis zur Vorfreude. Ganz zu schweigen von der Müdigkeit und Übelkeit, die noch dazukommen oder dazukommen werden! Zu wissen, dass das "normal" ist, könnte dir vielleicht Mut machen, erstmal der Natur ihren Lauf zu lassen und abzuwarten. Du musst dich schließlich nicht nur seelisch, sondern auch körperlich auf die Schwangerschaft einstellen. Das ist keine Kopfsache - nicht mal eine spontane Herzenssache - sondern ein natürlicher Prozess.
Dann fragst du mehr oder weniger, ob das Leben mit Kind noch lebenswert sei, oder ob es einer Selbstaufgabe gleichkommt, bei der nur noch einige Glücksmomente dann und wann durchblitzen. Vor allem schreibst du, deine Bekannten mit Kindern seien oft gestresst, gereizt und nicht sehr glücklich.
Ich kenne natürlich deine Bekannten nicht, aber ich weiß, dass es mir und vielen anderen Müttern, die alleinstehende Freundinnen in deinem Alter haben (ich bin selbst 42), oft schwerfällt, ihnen gegenüber den richtigen Ton zu treffen. Wir möchten "euch" mit unserem Gluckenglück nicht allzu sehr auf die Nerven fallen, daher übertreiben wir manchmal den Stress ein bisschen, und die berühmten Sätze à la "hast duuuu es gut mit deiner Freiheit!" fallen. Leg solche Sätze nicht allzu sehr auf die Goldwaage! Natürlich gibt es gehörigen Neid gegenüber "eurer" Freiheit, wenn ihr grad eine Super-Urlaubsreise plant und wir uns das am Telefon anhören und nebenbei Babykotze abwischen. Andererseits dienen solche Sprüche aber auch nicht selten dazu, damit du dich besser fühlst. Denn es gibt es auch eine Art "Mitleid" (bitte nicht falsch verstehen!), weil ihr viel auf Sinnsuche seid, weil ihr euer Leben ständig aktiv füllen musst, um nicht einsam zu sein usw. Die meisten von uns trauern unserem Leben als Nichtmütter NICHT hinterher, auch wenn uns der Alltag oft schafft. Aber als Mutter ändert sich eine grundlegende Sache im Leben: Du wirst ruhiger in Bezug auf deine eigene Zukunft, du bist irgendwie angekommen, zuhause. Dieses tiefe Glücksgefühl, wenn abends alle im Bett liegen und du noch mal nach ihnen schaust, wie sie daliegen mit ihren Engelsgesichtern, frisch nach Badezusatz duftend... das mögen MOMENTE im Tagesablauf sein, aber du kannst sicher sein, es sind tägliche Momente! Und selbst wenn es zwischendurch hart ist - und das IST es am Anfang - du entwickelst auch da eine Gelassenheit, die du dir jetzt noch nicht vorstellen kannst.
Ich war z.B. immer jemand, der absolut darauf bestand, seine 8 Stunden Schlaf haben zu müssen. Die Vorstellung, nachts gegen meinen Willen alle paar Stunden rauszumüssen, um ein Baby zu versorgen, war mir ein absoluter Graus! Heute stöhne ich natürlich immernoch, wenn meine Kleine nachts um 3 nach mir ruft, aber ich stehe auf, wie ein Zombie - und 20 Minuten später schlafe ich selig weiter, als sei nichts gewesen. Es ist in dem Moment ätzend, klar - aber es ist andererseits keine große Sache. Das meine ich mit dieser "Gelassenheit." Im negativen Sinne könntest du das "fremdbestimmt" nennen, aber ich glaube einfach, man wird weniger egozentrisch, und das ist bestimmt objektiv gesehen eine GUTE Sache!
Da wird jemand sein, der dir wichtiger ist als dein eigenes Leben, buchstäblich. Das heißt nicht, dass du dein eigenes Leben, deinen Beruf usw. aufgeben musst - aber du wirst das alles weniger selbstbezogen sehen, entspannter. Da wird dieses Wissen sein, dass, egal was du ansonsten hinkriegst oder verbockst, du auf jeden Fall ab sofort eine echte Aufgabe im Leben hast, die du erfüllen musst: Dein Kind großzuziehen. Du wirst gebraucht wie niemals zuvor, das kann kein Bonus und keine Beförderung bei der Arbeit wettmachen. Auch wenn es im Alltag oft undankbar und anstrengend ist und finanziell null anerkannt wird. Aber du WEISST es einfach innerlich, und das gibt unheimlich Ruhe.
Deine Ängste erinnern mich sehr an das, was ich bei meinem 1. Kind durchgemacht habe (das auch eher spät kam, mit Ende 30) - obwohl es sogar ein Wunschkind war! Aber ich konnte die gesamte Schwangerschaft durch noch keine wirkliche Beziehung zum Kind aufbauen und habe immer wieder befürchtet, es später nicht lieben zu können. Hatte lange das Gefühl, eine Art Alien im Bauch zu haben, teilweise haben mir die Kindsbewegungen eher Angst gemacht usw. Auch nach der Geburt war ich nicht sofort hin und weg, hatte Babyblues usw. Die Liebe kam schrittweise. Es gibt diesen weisen Spruch: "Eltern machen keine Kinder, aber Kinder machen Eltern." Der trifft natürlich auch zu, wenn du allein bist: "Mütter machen keine Kinder, aber Kinder machen Mütter."
Das gilt bestimmt besonders, wenn man bereits seit Jahren völlig frei und selbstbestimmt lebt. Das wird dann auf einmal radikal anders - das kann niemand von einem Tag auf den anderen akzeptieren oder verdauen. Auch da gilt: Du wächst da rein.
Von daher kannst du auch überhaupt nicht zu diesem Zeitpunkt 100% entscheiden, was du wann wie fühlen wirst. Es ist eine natürlich Entwicklung, mindestens 9 Monate - und in der Realität noch viel länger!
Von daher würde ich sagen: Wenn du nur den geringsten Zweifel hast, du KÖNNTEST einen Abbruch bereuen, dann lass ihn bleiben. Denn in den ersten 12 Wochen, in denen er straffrei wäre, kannst du unmöglich abschätzen, wie du dich später fühlen wirst. Du kannst also auf jeden Fall nur aus einer Momentaufnahme heraus entscheiden. Abtreibungsbefürworter werden jetzt natürlich sagen, das sei ein blödsinniges Argument, weil es dann überhaupt keine Abtreibungen mehr gäbe, aber ich meine:
12 Wochen, das ist grade mal Ende 3. Monat. Da ist dir normalerweise noch übel und du hast dich überhaupt noch nicht richtig auf die Schwangerschaft eingestellt. Die "nette" Zeit mit der wiedergefundenen Energie, den neuen Bekanntschaften in der Geburtsvorbereitungsgruppe usw. - das sind alles positive Einflüsse, die du vorher noch überhaupt nicht mit einrechnen kannst. Gib der Natur eine Chance!
Als Letztes würde ich dir gern noch sagen: Es gibt natürlich "schlechte" Mütter, deren Kinder unglücklich sind. Aber ich bin sicher, solche Mütter machen sich vor der Geburt überhaupt nicht erst so viele und tiefgreifende Gedanken wie du. Dass du es tust, zeigt bereits, dass du, WENN du das Kind bekommst, auf jeden Fall eine sehr gute Mutter wirst!
Alles Liebe für dich!