Kann mir jemand auf menschlicher Ebene Ratschläge erteilen? Es geht dabei um eine Freundin, ich würde sie nicht als beste Freundin bezeichnen, aber eine Freundin. Sie entspricht überhaupt nicht den Vorurteilen über Frauen, die nicht verhüten können, sondern sie ist gebildet und mit beiden Beinen im Leben. Ich habe zwar mal gehört, dass sie mal abgetrieben hat, aber ich kannte die Hintergründe nicht. Ich verurteile keine Frauen, die in absoluter Notsituation abtreiben, ich verstehe gut, wenn eine 15jährige aus Verzweiflung keine andere Lösung sieht, oder bei Gewalt in der Ehe, Vergewaltigung, Drogenproblemen. Kann ich das mildernde Umstände nennen? Das alles wäre einfach eine Geschiche, vielleicht ein Gerücht, unter vielen.
Nun ist sie wieder schwanger geworden. Natürlich frage ich mich, wie es ein zweites Mal dazu kommen kann. Und selbst wenn, ich könnte ja noch sagen, dass es eben wirklich Pech und ungünstig war. Nur hat sie nicht schnell abgetrieben. Sie hat wirklich extrem lange gewartet. Und es belastet mich jetzt, diese Vorstellung. Es waren bei ihr ja keine kleinen Gewebeklumpen, sondern schon ein großer Fötus, eigentlich ein kleines Kind, das nur noch wachsen muss. Und sie hat kürzlich abgetrieben.Sie wäre nicht einmal eine junge Erstgebärende gewesen. Im richtigen Alter, eher schon darüber, und sie treibt ab, weil sie gerade im Job nach ihrem Studium am durchstarten ist. Werft mir nicht vor, dass ich jemanden verurteile. Ich will ihre Tat gar nicht diskutieren. Aber es geht um mein Gefühl dabei, diese liebenswerte Freundin, für jeden Humbug zu haben, geht schnell zum Arzt und treibt am Ende der Frist ab. Mich belastet schon nur die Vorstellung ihr gegenüber zu stehen, da richtet sich sofort der Blick auf den Bauch, der Gedanke, wie weit entwickelt der Fötus und wie groß er Ende des dritten, Anfangs des vierten Monats ist und sie hat ihn rausmachen lassen. Was soll ich tun? Soll ich ihr direkt ins Auge sagen, dass ich das nicht gut finde und Abstand gewinnen? Ihr einfach aus dem Weg gehen, das Thema nicht ansprechen? Mich versuchen zu überwinden? Eben, es geht nicht um eine Bewertung, es geht um einen gewissen Ekel, den ich bei dem Gedanken habe und ich schwanke zwischen meiner Grundüberzeugung und Freundschaft.