Hallo ihr Lieben!
Ich habe heute im Profil einen Artikel über den Schwangerschaftsabbruch in Österreich gelesen und daneben auch einen kurzen Beitrag darüber, wie es Frauen nach dem Schwangerschaftsabbruch geht. Dabei wurde erwähnt, dass möglicherweise eine verzerrte Sicht der Dinge entsteht, weil sich in Internetforen verständlicherweise vor allem diejenigen zu Wort melden, denen es nach dem Schwangerschaftsabbruch schlecht geht, während die, denen es gut damit geht, möglicherweise die schweigende Minderheit bleiben.
Dieses verzerrte Bild trägt dann mit dazu bei, dass - vor allem junge - Frauen, die in solchen Foren Rat suchen, noch mehr verunsichert werden.
Ich möchte daher hier meine eigene Geschichte erzählen: Ich war damals 25 und - aus heutiger Sicht - noch ziemlich naiv. Ich hatte gerade jemanden kennengelernt, es war keine fixe Beziehung, aber ich hoffte, dass "etwas" draus werden könnte. Und ich war etwas "schlampig", was Verhütung anging. Ich war damals der Ansicht, "wenn's passiert, dann soll es wohl so sein" - na und so ist "es" dann auch "passiert". Ich war schwanger. Und anfangs war es für mich klar, dass ich das Kind bekomme.
Als ich "ihm" davon erzählt habe, hat er leider nicht so reagiert, wie ich es erwartet (oder zumindest erhofft) hatte. Er erklärte mir, dass er mit mir keine ernsten Absichten habe und dass er außerdem noch andere "Freundinnen" hätte. Außerdem fragte er, wie ich mir vorstellen würde, das Kind zu ernähren, ich lebte doch selbst in äußerst "primitiven" Verhältnissen und habe kein sicheres Einkommen. Auf meinen Einwand, dass das doch alles irgendwie gehe, wenn man nur wolle, kamen nur noch mehr abwertende und kränkende Bemerkungen. Das tat weh. Sehr weh. So sehr, dass ich beschloss, den Kontakt zu ihm ganz abzubrechen.
Ich war aber immer noch entschlossen, das Kind zu bekommen. Ich suchte also Unterstützung bei meiner damals besten Freundin. Doch auch hier wurde ich enttäuscht: Sie zeigte - zu meinem Entsetzen - mehr Verständnis für "ihn" als für mich.
Ich fühlte mich völlig allein gelassen. Die Wochen vergingen. Ich hatte damals - neben dem Studium - einen Servierjob. Langsam begann mir vor dem Essen zu grausen - und ich begann - ganz allein mit mir und für mich - darüber nachzudenken, wie das wohl werden würde mit einem Kind. Und darüber, was ein Kind wohl braucht, um physisch und psychisch gesund und glücklich heranzuwachsen. Lebensfroh.
Es muss damals Oktober oder November gewesen sein. Die Tage begannen kühler zu werden. Es roch bereits nach Winter.
Es war eine intensive Zeit. Je mehr ich nachdachte umso mehr spürte ich, dass ich einem Kind das, was ich für nötig halte, nicht geben würde können. Ich brauchte doch selbst Liebe, Zuneigung, Zärtlichkeit - und zwar nicht die eines Kindes, sondern die eines Gegenübers auf gleicher Augenhöhe. Jemanden der mich auffangen würde, wenn ich mich schwach fühle. Jemand mit dem ich reden kann.
Ich war der Überzeugung - und ich bin es heute noch - dass Kinder in den ersten Lebensmonaten eine Bezugsperson brauchen, die absolut verfügbar ist, die ihre Bedürfnisse voll und ganz erfüllt. Jemanden, der seine eigenen Bedürfnisse zurückstellen kann, "sich aufopfert". Aber ich war doch selbst so bedürftig! Wie sollte ich das geben?! Noch dazu wo es niemanden gab, der mich unterstützen würde! Und dann all die weiteren Jahre der Verantwortung! Vor allem: Kinder lernen nicht aus dem, was man ihnen vorsagt, sondern aus dem, was man ihnen vorlebt. Ich fühlte mich unglücklich, ja verzweifelt und alleingelassen - wie hätte ich einem Kind vorleben sollen, wie man glücklich ist?
Diese Gedanken gingen mir im Kopf um. Und so reifte langsam die Entscheidung, das Kind abzutreiben. Es war die letzte Woche, in der es möglich war. Ich machte einen Termin in der Klinik aus und bestand darauf, dass eine Ärztin den Abbruch durchführen sollte. Außerdem bestand ich darauf, nur eine lokale Betäubung und keine Vollnarkose zu bekommen. Ich wollte schließlich wissen, was mit mir passiert! Ich wollte nicht wegschauen, nicht verdrängen, ich wollte alles bei klarem Bewusstsein erleben. Ich hatte meine Entscheidung schließlich nach reiflicher Überlegung und aus meinem tiefsten inneren Gefühl heraus getroffen - wieso sollte ich mich also betäuben lassen?
Und so geschah es auch. Ich beobachtete alles aufmerksam. Ich wurde - nach dem Abbruch, der relativ kurz und schmerzlos war, in einen Saal gefahren, mit lauter betäubten Frauen. Das fand ich schon eigenartig. Ich blieb etwa eine halbe Stunde liegen. Dann wurde mir gesagt ich könne aufstehen und solle noch in einem Warteraum Platz nehmen. Dort saßen schweigende Frauen. Es gab Kekse. Ich beobachtete alles genau - ich fühlte - nun ja, eigentlich gar nichts. Ich fand alles interessant, spannend, ein wenig aufregend - aber emotional war ich distanziert.
Als ich dann etwas später auf die Straße hinaustrat, überkam mich ein einziges überwältigendes Gefühl: Erleichterung. Und dann spürte ich eine unbändige Kraft in mir. Ich fühlte mich wie eine mythologische Göttin, Herrin über Leben und Tod. Eine Macht, die die patriarchal geprägte katholische Kirche den Frauen über Jahrhunderte hatte rauben wollen. Es war ihnen nicht gelungen. Ich war immer noch mächtig.
Es war ein intensiver Winter. Ich fühlte mich stark und mächtig und unabhängig wie selten zuvor. In meiner Brust hatte sich bereits etwas Milch gebildet. Ich gab ein paar Tropfen davon in ein Fläschchen und sammelte die Binden mit dem Blut. Ich machte ein kleines Ritual der Verabschiedung. Ich war sicher, dass mein ungeborenes Kind mit mir einverstanden gewesen wäre. Denn wie schon der griechische Dichter Menander sagte: Einem schlechten Leben ist der Tod vorzuziehen.
Das ist jetzt ziemlich genau 17 Jahre her. Ich habe es nicht bereut, mir ging es deswegen nicht schlecht - nicht kurz danach und auch nicht später, und auch Trauer habe ich deswegen nie empfunden. Bis heute ist diese Abtreibung für mich eine Erfahrung, die vor allem mit einem Gefühl für meine eigene Kraft verbunden bleibt. Einem Gefühl, ganz bei mir zu sein, mir selbst treu, unabhängig und stark.