Bericht aus einer katholischen Abtreibungsklinik
Maria S. ist eine selbstbewußte Frau Anfang dreißig, die uns in einer kleinen Stadtwohnung in einer südamerikanischen Großstadt empfängt. Sie reicht uns Kekse und Tee und erzählt aus ihrem Leben. Sie leitet eine Wäscherei in der City, genießt ihr Leben - und ist die Geliebte eines Priesters. Das soll zwar nicht jeder wissen, aber geradezu geheehalten wird es auch nicht. Uns will sie den Namen des Mannes nicht nennen, und auch ihren eigenen sollen wir bitte weglassen, aber sie versichert uns, daß Freunde und Nachbarn und auch die Gemeindemitglieder von der Beziehung wissen und sie dulden.
Wir sind hier in Südamerika, sagt sie. Rom ist weit weg und hier glaubt keiner, daß die Liebe zwischen Frauen und Männern etwas Böses ist, das von den Dienern Gottes gemieden werden müßte. Gott hat Männer und Frauen füreinander gemacht, so steht es in der Bibel, er hat ihnen Körper gegeben und was Gott geschaffen hat, das kann nicht böse sein.
Natürlich schläft sie mit ihrem Geliebten und natürlich benutzt sie dabei Verhütungsmittel, wie es übrigens die große Mehrheit der katholischen Frauen in der ganzen Welt tut. Maria spricht sehr offen darüber. Sie ist froh, daß ihr Geliebter Kondome benutzt, was in ihrem Land eine Seltenheit ist, hier herrscht noch der Machismo, und die Verhütung wird wie selbstverständlich den Frauen überlassen. Wir sind überrascht von der Offenheit dieser Frau, aber der eigentliche Clou kommt noch. Eine Bekannte hatte uns das Treffen mit Maria vermittelt und gesagt, sie werde uns Verblüffendes zu berichten wissen.
Maria ist schwanger gewesen, erzählt sie, und nun ist in der Tat der Augenblick gekommen um aufzuhorchen: Was ist mit dem Kind passiert? Es war natürlich unerwünscht, und wir wissen, was bei unerwünschten Schwangerschaften in Südamerika meistens passiert: Das Kind muß ausgetragen werden, und wenn die Mutter keinen Vater dazu vorweisen kann, ist sie sozial geächtet. Maria hätte ihre Arbeit verloren, es sei denn, sie hätte den riskanten Weg zur Engelmacherin angetreten, die die Schwangerschaft mit unzureichenden Mitteln und schlecht ausgebildet für teures Geld unterbrochen hätte. Nicht weinige Frauen tragen Schäden davon oder Sterben an den Folgen eines solchen Eingriffes.Doch all das ist Maria erspart geblieben, denn ihr Geliebter hatte eine bessere Lösung. Als ihre Regel ausblieb und sie ihrem Geliebten davon berichtete, sagte er: Pack ein paar Sachen, ich bringe dich an einen Ort, wo das geregelt wird. Sie fuhren mit dem Bus über Land in eine kleine Stadt, von dort mit dem Taxi in ein abseits gelegenes Kloster. In diesem von einem Mönchsorden geleiteten Haus wurden sie freundlich empfangen und ihnen wurde ein Doppelzimmer zugeteilt. Am nächsten Morgen mußte Maria zur Untersuchung. Sie fand ein erstaunlich gut ausgerüstetes gynäkologisches Behandlungszimmer, in dem ein freundlicher Arzt sie gründlich untersuchte. Er bestätigte ihre Schwangerschaft und stellte ihr einige Fragen.
Eine Stunde später bekam sie eine Narkose, und was nun geschah, weiß sie nur von ihrem Geliebten, der immer dabei war. Man legte Maria auf den Behandlungsstuhl. Nun betrat ein Priester den Raum. Er trug das zur Taufe übliche Ornat und sprach ein Vaterunser. Dann ergriff der Arzt die Absaugkürette und führte sie in Marias Unterleib ein. An dem Griff des Gerätes befand sich ein kleiner Gummibalg, den der Priester auf ein Zeichen des Arztes in die Hand nahm. Während der Arzt die Kürette hielt, sprach der Priester die Taufformel und pumpte mit dem Gummibalg Weihwasser in den Uterus.Als die Zeremonie beendet war, zog sich der Priester zurück und überließ den Fötus nun dem weltlichen Arm. Es sei gut, daß das Kind vor der Abtreibung getauft worden sei, sagt Maria, denn nun wohne seine Seele im Himmel und müsse nicht der ewigen Verdammnis anheimfallen. Schließlich habe die Erbsünde, die seit Adam und Eva auf den Menschen laste, schon vom Augenblick der Zeugung an, im gleichen Moment, in dem durch Göttliches Wunder die Seele in die vom Spermium befruchtete Eizelle einziehe, diese Seele verunreinigt und dem Teufel überantwortet. Der Fötus aus Marias Unterleib ist am nächsten Tag christlich beerdigt worden, und der Priester nahm ihr und ihrem Geliebten die Beichte ab. Was das ganze gekostet hat, weiß Maria nicht, sie nimmt nur an, daß es teuer war, denn von der Reise, die ihr Geliebter mit ihr unternehmen wollte, ist seitdem nicht mehr die Rede.
Ob sie denn Gewissensbisse plagten, wollen wir wissen. Nein, sagt Maria, sie habe ja gebeichtet, und der Priester habe sie von der Sünde losgesprochen. Sie sei nur manchmal traurig um das Kind, das in ihr hätte wachsen können. Aber so sei es das beste gewesen. Denn sie hätte dem Kind kein Leben bieten können. Als uneheliche Mutter hätte sie in Armmut leben müssen, und unter diesen Lebensumständen würden die meisten Kinder irgendwann stehlen oder schlimmeres. Wäre es auf die Welt gekommen, dann hätte das Kind sich beinahe mit Sicherheit versündigt und müßte nach dem Tode im Fegefeuer brennen. Jetzt aber sei es unschuldig gestorben und in den Himmel gekommen, und das sei wirklich für alle das beste gewesen.
Maria weiß, daß sie das Kloster nicht verraten darf, daß die kirchliche Obrigkeit dieses Vorgehen niemals billigen würde, aber verstehen kann sie es nicht. Schon der heilige Augustin habe gegen die Vermehrung der Menschheit gepredigt, schon er wollte die Anzahl der ins irdische Jammertal verbannten Seelen möglichst gering halten. Und die Kinder würden bei einer christlichen Abtreibung wirklich am wenigsten Schaden nehmen, sie spürten keinen Schmerz, die Seele müßte das Erdenleben nicht einmal beginnen und könne sich gleich den ewigen Freuden des Paradieses hingeben.
Nun laden allerdings drei Personen Schuld auf sich, die Frau, der Mann und der Arzt. Aber auch diesen könne geholfen werden. Denn erstens sei ihre Schuld nicht so schwer, weil das kaum begonnene Leben des Fötus viel leichter wiege als das eines geborenen Menschen. Und das eigentlich Böse an der Tötung eines Erwachsenen sei ja, daß man diesem die Möglichkeit nehme, seine Sünden auf der Erde zu büssen und durch gute Werke auszugleichen, um damit dem Himmel näher zu kommen. Indem man aber den Fötus gleich nach seiner Taufe, reingewaschen vom Weihwasser, sofort ins Jenseits befördere, setze man ihn gar nicht erst der Gefahr aus, auf der Erde Sünden zu begehen, sondern sichere ihm damit einen Platz im Himmel. Trotzdem sei die Abtreibung natürlich eine Sünde und nur ein guter Christenmensch, der tätige Reue zeige, könne von ihr losgesprochen werden. Sie habe dem Priester nach der Beichte versprechen müssen, ein gottgefälliges Leben zu führen, den Armen Almosen zu geben, und stets sorgfältig auf die Verhütung zu achten, damit sie die Sünde der Abtreibung nicht noch einmal auf sich laden müsse.