Liebe Anne,
ich kann deine Gedanken gut nachvollziehen. Wie lange würdest du denn in der Firma arbeiten wollen bis du dich etabliert fühlst und aus deiner Sicht heraus genügend Erfahrung gesammelt hast?
Lernen ist ja ein lebenslanger Prozess, der auch nach der Schwangerschaft und Elternzeit weitergeht. Eventuell kannst du einen Teil der Erfahrungen auch nach der Elternzeit sammeln?
Es hängt zudem auch davon ab, ob und wie lange du Elternzeit nehmen möchtest. Wenn dein Freund bald ein Kind möchte, könnte er ja auch anbieten, in Elternzeit zu gehen. Mein Mann und ich haben beide in Teilzeit gearbeitet nach der Geburt und uns in Schichten abgewechselt. So konnte ich früh wieder 30 Stunden pro Woche arbeiten. Bei einem befreundeten Paar arbeitet die Frau 8 Wochen nach der Geburt in Vollzeit und der Mann bleibt zu Hause beim Baby.
Aus meiner Erfahrung heraus ist es hilfreich, die Elternzeit direkt für 2 Jahre anzumelden und frühzeitig wieder in Teilzeit zu arbeiten. Wenn du nur wenige Monate raus bist (6-8 Monate) aus dem Unternehmen, wird deine Stelle nicht so einfach nachbesetzt und du hast Kündigungsschutz bis zum Ende der Elternzeit. Dann hast du zwei bis drei Jahre Zeit, um dich nach der Geburt wieder im Unternehmen zu etablieren.
Ich kann deine Sorgen wirklich verstehen. Aus meiner Erfahrung heraus kommt man als Mutter von einem Kind aber automatisch an die Glasdecke bei der Beförderung: Jeder geht davon aus, dass das zweite Kind bald kommt und deswegen wird man bei Beförderungen im Unternehmen strukturiert übergangen. Hör dich mal bei deinem Arbeitgeber um, wie dort mit Mitarbeiterinnen umgegangen wurde, die aus der ersten Elternzeit zurückkamen. Das ändert sich dann nach der sozial akzeptierten Zwei-Kind-Konstellation auf einmal schlagartig, weil jeder davon ausgeht, dass zwei Kinder dann für die Familienplanung ausreichen 🙄.
Dementsprechend könnte es deiner Karriere sogar gut tun, wenn du die Familienplanung "zügig abschließt" und das deinem Arbeitgeber bei erfolgreicher Schwangerschaft so auch kommunizierst. Dann steht deiner Karriere ab 26 Jahren nichts mehr im Weg...
Unglücklich wäre es, wenn du jahrelang wartest und den Kinderwunsch deines Partners aufschiebst und dann unter Umständen doch anders als erwartet gekündigt würdest, oder nach der Elternzeit gehen müsstest. Nur weil du in einem Unternehmen länger arbeitest, heißt es nicht, dass das Kündigungsrisiko abnimmt - im Gegenteil! Langjährige Mitarbeiter sind teurer im Gehalt und werden gerne durch günstigere Berufseinsteiger ersetzt.
Ich würde an deiner Stelle mit meinem Freund einen festen Zeitramen vereinbaren, wann ihr schwanger werden wollt und wer die Elternzeit übernimmt bzw. wie viel arbeitet nach der Geburt. Bestimmt kannst du ihn noch ein Jahr "hinhalten".
Vielleicht ist es ja auch gut, wenn ihr die Zeit nutzt und euch schonmal auf das Baby vorbereitet? Z.B. auf Kleinkinder der Nachbarn am Wochenende aufpassen, Hebammen kennenlernen, Geburtskliniken besichtigen, Tagespflege-Einrichtungen und Kitas in der Umgebung kennenlernen, Kinderzimmer planen, Geld für die Elternzeit und die Erstausstattung / Schwangerschaftskurse / Babykurse usw. sparen, mit den Eltern und Schwiegereltern besprechen, wer bei der Kinderbetreuung unterstützen kann, wenn du wieder arbeitest...
Statistisch gesehen ist es übrigens so, dass Geschwisterkinder mit einem größeren Altersabstand ein besseres Verhältnis zueinander entwickeln, weil Eifersucht und Konkurrenz weniger eine Rolle spielen. Adoptionsagenturen und Pflegekind-Vermittlungsstellen empfehlen daher einen Altersabstand von mindestens drei Jahren zwischen Geschwistern. Vielleicht beruhigt diese Information deinen Freund.
Ich würde euch auch zu einer Paarberatung z.B. bei Profamilia raten. Die können euch dabei unterstützen einen Kompromiss oder Plan zu erarbeiten, mit denen ihr beide leben könnt, bevor der Konflikt eskaliert.
Ich drücke euch die Daumen, dass ihr einen Weg findet.