Ich habe einen hochinteressanten Text gefunden, der sich auf die geborenen, aber unerwünschten und ungewollten Kinder bezieht.
Dazu wäre noch erwähnenswert, daß das verschwurbelte Mutterbild unserer Gesellschaft einer Frau eigentlich keine Wahl läßt, ein wahrhaft ungewolltes Kind würdevoll abzugeben - nach Entbindung.
Alle Mitmenschen, die die Schwangerschaft der Frau mitbekommen haben, wollen wissen wo das Kind ist - bei ehrlicher Antwort ist sie eine Rabenmutter, eine die ihr Kind nicht liebt - sie verliert ihr Gesicht. Die andere Alternative - Lügen - behindert die Verarbeitung.
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" ICH HABE ES VON ANFANG AN GEHASST
Das unerwünschte Kind
Nicht nur anekdotenhafte Extremfälle von misshandelnden Eltern, auch zahlreiche Langzeitstudien und tiefenpsychologische Forschungsergebnisse belegen es: Unerwünschtheit stellt eine grosse Gefahr für die psychische und soziale Entwicklung des Kindes dar.
Angesichts des Wissens über die psychologische Schädigung des Kindes durch das Ungewolltsein muss sich die Gesellschaft fragen, ob eine Rechtspflicht zum Austragen (Originalton im Urteil des Deutschen Bundesverfassungsgerichts von 1993) - d.h. ein Zwang für Frauen, gegen ihren Willen ein Kind zur Welt bringen zu müssen - ethisch verantwortet werden kann.
Psycho-sozial geschädigt
Die wohl umfassendste Übersicht über die psychologische Forschung auf diesem Gebiet stammt von G. Amendt und M. Schwarz (1992). Sie haben rund 500 Arbeiten ausgewertet. Das Ergebnis kann etwa so zusammengefasst werden: Im Einzelfall lässt sich zwar keine sichere Prognose für die weitere Entwicklung eines unerwünscht geborenen Kindes stellen. Aber die Befunde weisen alle in die gleiche Richtung: Unerwünschtheit wirkt krankmachend und lebensgefährdend.
In mehreren schwedischen, einer finnischen, einer tschechischen und einigen schweizerischen Langzeitstudien wurden Kinder untersucht, die geboren wurden, nachdem ihren Müttern ein Schwangerschaftsabbruch verweigert worden war. Die ungewollten Kinder wurden während 10 bis 35 Jahren (David et al. 2003) beobachtet und mit Kontrollgruppen verglichen. Die Resultate sind verblüffend ähnlich: Bei den unerwünschten Kindern zeigten sich deutlich mehr Verhaltensstörungen und psychische Krankheitssymptome sowie soziales Fehlverhalten. Sie waren öfter leistungsschwach in Schule und Ausbildung und fürsorgeabhängig. Sie wuchsen öfter in einem ungünstigen sozialen und familiären Umfeld auf. Sie wiesen häufiger Anzeichen emotionaler Verarmung und niedriger Selbstachtung auf und waren öfter in psychiatrischer Behandlung.
In einer schweizerischen Studie von E. Winiger und H. Kind (1979) wurden 30-60 Prozent der unerwünschten Kinder als gestört eingestuft. Sie wiesen Symptome auf, die in der Kinderpsychologie als Krankheitszeichen bewertet werden (wie Bettnässen, starke Ängste, Schlafstörungen). H. Stamm (1973) beurteilte in einer Nachkontrolle nahezu die Hälfte der unerwünscht geborenen Kinder als behandlungsbedürftig.
Der psychische Stress der ungewollt schwangeren Frau wirkt sich bereits negativ auf Schwangerschaft und Geburt aus. Nicht selten greifen solche Frauen zu Beruhigungsmitteln wie Alkohol, Drogen, Medikamente oder Rauchen. Es fällt auf, dass auch heute noch in der Schweiz (1994) Kinder unverheirateter Mütter (bei welchen angenommen werden muss, dass die Schwangerschaft eher unerwünscht war) deutlich öfter tot geboren werden und doppelt so oft im ersten Lebensjahr sterben als Kinder verheirateter Mütter.
Misshandelt
Besonders beunruhigend sind die Befunde, dass bei jugendlichen Straftätern, bei Selbstmordversuchen von Kindern und Jugendlichen und bei Kindsmisshandlungen Unerwünschtheit auffallend häufig ein bedeutsamer Faktor ist.
Unerwünschtheit wurde bei Straffälligen doppelt bis fünfmal so häufig gefunden wie bei nicht Straffälligen. Zwei Drittel einer Gruppe misshandelter Kinder und die Hälfte einer Gruppe von Kindern, die einen Selbstmordversuch unternommen hatten, waren unerwünscht.
Die Mütter unerwünschter Kinder und misshandelnde Eltern waren oft selbst von ihren Eltern abgelehnt worden. Unerwünschtheit löst also einen Teufelskreis aus.
Das oft gehörte Argument, eine ungewollt schwangere Frau werde sich schon vom ersten Schreck erholen und nach dem dritten Monat eine positive Einstellung zum Kind finden, wird durch die Fakten widerlegt. Bereits 1941 hatte H. Binder aufgezeigt, dass die ablehnenden Gefühle der Frauen zwar manchmal in der zweiten Schwangerschaftshälfte nachlassen. Nach der Geburt nehmen aber Abneigung oder Gleichgültigkeit gegenüber dem Kind wieder deutlich zu. In einer englischen Studie (Pare u. Raven, 1970) bedauerten ein Drittel der Frauen ein bis drei Jahre nach der Geburt, dass ihnen ein Schwangerschaftsabbruch verweigert worden war. Mehrere äusserten unumwunden Hassgefühle gegen das Kind.
Das dramatische Schicksal von unerwünscht geborenen und abgelehnten Kindern ist ein durchschlagendes Argument für die Beseitigung der gesetzlichen und sozialen Stigmatisierung der Abtreibung, so dass unerwünschte Kinder nicht geboren werden müssen (R.J. Gelles, zit. in G. Amendt)."
Quelle: www.svss-uspda.ch/de/facts/kind.htm