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Hallo Maci,
den passenden Zeitpunkt für eine Therapie gibt es nicht. Es gibt immer irgendetwas im Leben, das man als Grund anführen kann, dass es jetzt halt echt nicht geht. Grundsätzlich ist eine Therapie gut - es zeugt von Stärke und Einsicht, wenn man sich selbst zugesteht professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, als sie in dringenden Situationen zu verweigern. Kein Mensch ist perfekt und weiß auf alles einen Rat - muss er ja auch nicht.
Wann für dich eine Therapie sinnvoll ist, kann hier keiner sagen - nur raten oder mutmaßen. Wissen musst du es. Deine Sophia bekommt auch jetzt schon so ziemlich alles mit. Das Gefühlschaos, die Unregelmäßigkeit... sie stellt sich jetzt auf ein Leben ein, das weniger von Rhythmus und Ritualen geprägt ist, als von stürmischen und ruhigen Zeiten. Die Anlagen für ein unsaugewogenes psychisches Wohlbefinden hat sie wohl mittlerweile schon, ohne das jetzt groß anprangern zu wollen oder dir Angst zu machen. Aber geprägt ist sie auf jeden Fall und keiner kann sagen, wie sehr oder wieviel sie bisher schon aufgenommen hat.
Ich kann auch nur jedem empfehlen, sofort eine Therapie anzufangen.. kein Therapeut fängt während einer Schwangerschaft eine Traumatherapie an, das wäre grob fahrlässig. Aber bis die Vertrauensbasis und eine Basis geschaffen wird, dass man vernünftig arbeiten kann, dauert es sowieso eine ganze Weile.. du könntest jetzt die Zeit nutzen, um genau das anzugehen.
Stelle dir die Therapie so vor, als würdest du ein Haus bauen.. da fängst du auch erst mit dem Fundament an bzw. gräbst erstmal ein Loch frei.
Warum nicht jetzt damit anfangen... irgendwann wird es dich sowieso einholen; denn diese, deine, Erfahrungen sind so traumatisch.. irgendwann schafft es deine Abwehrhaltung in der Psyche nicht mehr, diese Instanz zu halten und dann wirst du womöglich in der unmöglichsten Situation damit überschwemmt.
Noch etwas anderes... ein Kind zu bekommt ist zwangsläufig damit verbunden, an die eigene Kindheit erinnert zu werden. Verhaltensweisen von damals tauchen wieder auf, Emotionen von damals tauchen wieder auf... es ist schon für manch andere schwer, die "nur" eine halbwegs normale Kindheit hatten. Wie willst du erst damit umgehen?
Weißt du.. ich kann dich ein sehr gutes Stück nachvollziehen. Meine Kindheit und Jugend war auch durchpflügt von Schicksalsschlägen, Tod und Trauer. Auch ich habe diese sexuellen Missbräuche und Vergewaltigungen in jungen Kinder- und Mädchenjahren erfahren müssen, zusätzlich kamen Depressionen meiner Mutter und die Alkoholsucht meines Vaters dazu... eine schöne Kindheit - an soetwas kann ich mich nicht erinnern. Ich hatte Lichtblicke, wenn ich bei der Oma oder bei Freunden war. Ansonsten ist da nur Schmerz, Angst und Trauer...
Ich habe mich jahrelang verkrochen in einer Höhle aus selbst zugefügtem Schmerz und einer Leere der Psyche - bis ich Menschen fand, die mir geholfen haben. War in einer Klinik, habe jahrelang Therapie gemacht... bei einem Schulpsychologen, mit dem ich heute noch ab und an Kaffee trinken gehe und mit dem ich mittlerweile eher als "Kumpel" rede, als von Patient zu Therapeut.
Ich habe all das aufgearbeitet, was garantiert nicht leicht war.. ich war oft am Aufgeben, am Verzweifeln, weil es einfach nicht besser wurde, weil die Bilder und Erinnerungen immer und immer wieder kamen und mich peinigten.
Aber mit viel Liebe, Geduld und Verständnis - auch für sich selbst !! - sind auch diese Dinge zu meistern. Es braucht viel Liebe, emotionale Wärme, Ruhe, Geduld und Zeit... und das Wissen, dass es besser wird, dass es machbar ist.
Es ist nötig, dass du das machst... denn für dein Leben ist es wichtig und vorallem für die gute und gesunde Entwicklung deiner kleinen Sophia.
liebe Grüße,
Alamea