jozefa_12689738Der Fehler steckt da:
"War doch ihre Entscheidung."
Es wird gerne von der Fiktion ausgegangen, eine Entscheidung für oder gegen einen Abbruch sei eine "selbstbestimmte Entscheidung jeder Frau".
Tatsächlich ist das aber Blödsinn alleine aufgrund der Zahl. 100000 Frauen entscheiden jedes Jahr selbstbestimmt in D abzutreiben?
Verarschen kann ich mich selber. Da sind bestimmt jeweils ein paar Hundert bis paar Tausend dabei, die:
- vom Kindsvater erheblich unter Druck gesetzt oder gar genötigt werden
- sich von ihrem Arbeitsumfeld/AG unausgesprochen unter Druck gesetzt fühlen (vor allem, was sie als gute Mutter einem Kind zu bieten haben sollen und dass sie geordnete Lebensverhältnisse haben soll, bevor sie Mutter wird)
- sich von gesellschaftlichen Normen unter Druck gesetzt fühlen
- Suchtkrank sind (was auch eine "selbstbestimmte" Entscheidung erschwert)
- Depressionen haben (was auch eine "selbstbestimmte" Entscheidung erschwert)
- vermeintlich oder tatsächlich zu wenig Geld für ein Kind haben würden
(usw., da gibts noch mehr, aber die Auswahl langt erstmal) .
Klar, viele haben trotz widriger Umstände so wie du die Kraft sich für ihr Kind und damit für das richtige zu entscheiden. Und klar ist auch, dass es besser wäre, wenn sich alle so entscheiden könnten.
Aber wem macht man den Vorwurf dafür, dass sie sich nicht für das richtige entscheiden?
Den Frauen selber?
Oder den "Umständen" bzw. den Verantwortlichen, die es ihnen erschwert haben?
Vorwürfe an beide sind zwar begründbar, aber erstens wenn die Frau bereits jammernd vor der Tastatur sitzt, macht sie sich selbst doch schon genug Vorwürfe, da sollte man die eigenen Vorwürfe auf die widerigen Umstände lenken, damit jeder die Vorwürfge abbekommt, die er/sie verdient.
Zweitens kann man nie aus der Distanz wissen, ob die Umstände der konkreten Frau nicht so waren, dass sie kaum oder gar nicht wirklich selber entscheiden konnte, sondern tatsächlich von den Umständen getrieben war. Wenn man nicht wissen kann, inwieweit jemand an etwas schuld ist, sollte man mit Vorwürfen zurückhaltend sein, vor allem wenn der jemand bereits weinend über der Tastatur sitzt.
Drittens, was macht es besser? Hat die TE bereits genug schlechtes Gewissen, dass sie sich bei der möglicherweise nächsten ungeplanten Schwangerschaft mehr versucht durchzubeißen und sich für ihr Kind zu entscheiden? Vermutlich. Wirds langen? Keine Ahnung, aber noch mehr schlechtes Gewissen hilft ihr dabei nicht.
Viertens, was würde es sicher besser machen? Wenn andere Frauen nicht genau so wie die TE auf widerige Umstände treffen. Können diese Umstände beeinflusst werden? Klar, wir wählen, wir erziehen Kinder (bzw. versuchen das (*)), sind Arbeitnehmer/Arbeitnehmer, werfen Teeniemüttern vorwurfsvolle Blicke zu, ... wir beeinflussen also an vielen Stellen wenn auch nur ein wenig die Umstände, mit denen ungeplant Schwangere kontrontiert sind. Wenn wir uns also bewusst machen, was diese Umstände sind, dann kann daraus vielleicht letztlich eine Änderung zum besseren erwachsen. Aber wenn wir die Schuld alleine bei den Frauen abladen, die abgetrieben haben, verdrängen wir damit die Möglichkeit die Umstände zu beeinflussen, wir machen uns blind für Hilfe.
Und deshalb ist es nicht richtig, vor allem der TE Vorwürfe zu machen, obwohl ihre Entscheidung, das Leben ihres Kindes beenden zu lassen, falsch war.
(* Ich z.b. habe mich kürzlich darum bemüht einem Exemplar meines männlichen Nachwuchs nahezubringen, dass wenn er mal eine ungeplant schwängert, er ihr dann zur Seite stehen soll, sodass sie sich eher für das Kind entscheiden kann; nur ein bischen, aber ein bischen ist besser als nichts.)