Nachdem ich in diesem Forum bis zu meiner 34. Schwangerschaftswoche nur still mitgelesen habe, ist es mir heute ein Bedürfnis, etwas loszuwerden an alle ebenfalls von der Diagnose Schwangerschaftsdiabetes Betroffenen.
Ich hatte in der 29. SSW den Vortest auf Gestationsdiabetes mit 50 Gramm Glukose. Der Blutzuckerwert war nach 60 Minuten bei 142 - also leicht erhöht. Die Frauenärztin hat mich daraufhin sofort zum Diabetologen überwiesen für den großen Zuckerbelastungstest. In der 30. SSW hatte ich den OGTT mit folgenden Werten: nüchtern 89 (gerade noch so unter der Grenze), nach 60 min 195 (soll unter 180 sein), nach 120 min 165 (soll unter 155 sein). Diagnose: Schwangerschaftsdiabetes. Sehr feinfühlig (Achtung Ironiemodus) erklärte mir der Diabetologe, welche Konsequenzen das für mich (erhöhte Wahrscheinlichkeit, an Diabetes 2 zu erkranken) und mein Kind (von Makrosomie bis Fruchttod) habe und dass ich ab jetzt keinen Zucker und nur noch Vollkorn essen darf und eine Woche lang sieben Mal täglich meine Blutzuckerwerite messen muss. Dafür drückte er mir ein Blutzuckermessgerät nebst Zubehör in die Hand und bestellte mich eine Woche später zur Besprechung der Resultate in die Praxis ein.
Ich war völlig fertig - und konnte die Diagnose trotzdem nicht richtig akzeptieren. Mein Gefühl sprach einfach dagegen. Dabei stieß ich jedoch nicht nur beim Diabetologen, sondern auch bei der Hebamme und der Frauenärztin auf taube Ohren. Standardantworten waren: "Ein Diabetes tut eben nicht weh, den fühlt man nie." und "Denken Sie jetzt mal nicht an sich, sondern an Ihr Kind." Was ich sehr verletztende Sätze fand - ich denke doch an mein Kind. Aber ich hatte das Gefühl, grundlos krank gemacht zu werden.
Ich habe dann die medizinischen Studien durchgelesen, auf deren Grundlage das Diabetes-Screening in der Schwangerschaft 2012 auf breiter Basis eingeführt wurde. Da ich verstehe, wie Studien aufgebaut sind und gelesen werden können, wuchs meine Skepsis. Die Ergebnisse der "einzig validen" HAPO-Studie sind ganz und gar nicht eindeutig - zumindest nicht bei Blutzuckerwerten unter 120 nüchtern und unter 200 postprandial, also nach dem Essen ist ein erhöhtes Risiko für die Schwangerschaft und die Entbindung eindeutig. Weder für Mutter noch Kind. Medizin ist keine exakte Wissenschaft - sondern die Richtlinien, nach denen die Ärzte die Diagnose Gestationsdiabetes stellen, basieren auf einer bestimmten Interpretation dieser Studie. Man kann die Studie auch anders interpretieren. Was die Behauptung angeht, Schwangerschaftsdiabetes bedeute erhöhtes Risiko für Diabetes 2 - dafür gibt es noch überhaupt keine Basis, das ist eine Hypothese (die mich nicht überzeugt).
Bestimmt kann unbehandelter Diabetes in der Schwangerschaft gefährlich sein - aber das betrifft wohl doch eher "echte" Diabetikerinnen, deren Diabetes vor der Schwangerschaft bereits bestand und noch nicht festgestellt und behandelt wurde. Es betrifft nicht die Massen von Schwangerschaftsdiabetikerinne n, die die diabetologischen Praxen plötzlich bevölkern...
Dennoch, da ich ja das Beste für mein Kind wollte, habe ich gemessen und meine Ernährung optimiert (sehr ungesund habe ich vorher eigentlich auch nicht gelebt, aber doch gern Weißmehlprodukte, Pasta und Süßes gegessen, die ich nun wegließ). Trotzdem waren Nüchternblutzucker und die Werte nach dem Essen immer grenzwertig oder zu hoch. Wie sehr mich das gestresst hat, kann sicherlich jede Schwangere mit der Diagnose Schwangerschaftsdiabetes nachvollziehen.
Jetzt aber ein wichtiger Tipp für alle, die auch mit dieser Diagnose konfrontiert sind: In einem Internetforum - ich habe leider vergessen, wo - las ich die Aussage einer Hebamme, ihrer Erfahrung nach seien die Blutzuckerwerte häufig bei Frauen erhöht, die Nahrungsergänzungsmittel nehmen. Man solle doch einfach mal ausprobieren, was passiert, wenn man diese weglässt.
Das traf auf mich zu: Da ich ja "nur das Beste für mein Kind" wollte, habe ich seit dem 3. Monat brav Femibion 2 geschluckt - mit einem Vitamin-Cocktail und der zusätzlichen Kapsel mit DHA / Omega 3 Fettsäure / Fischöl. Das erschien mir sinnvoll - gerade zum Herbst und Winter hin und da ich nicht sehr viel Fisch esse. Die Frauenärztin hat mir das auch empfohlen.
Und was soll ich sagen: Nachdem ich meine tägliche Dosis Femibion weggelassen habe, waren nach 2-3 Tagen meine Blutzuckerwerte plötzlich vorbildlich! Sowohl nüchtern als auch nach dem Essen. Ich wurde experimentierfreudig und aß Dinge, die vor einer Woche meinen Blutzucker auf 180 getrieben hatten - was mir mit Verzweiflung, Traurigkeit und Angst den Tag verdorben hatte. Und jetzt - ohne Femibion - war der Wert plötzlich zwischen 100 und 120! Auch 60 min nach "Glukosebomben".
Ich habe dann weiter recherchiert. Tatsächlich spielt DHA oder Omega-3-Fettsäuren eine Rolle im Glukosestoffwechsel. Beim Stoffwechsel hängt eben alles mit allem zusammen, Zucker ist nicht getrennt vom Fett zu verstehen. Und zwar kann es sein, dass DHA die Blutzuckerwerte erhöht, insbesondere bei Menschen mit Diabetes oder Insulinresistenz. Für Diabetiker wird die Einnahme der "Wunderwaffe" und des "Allzweckheilmittels" DHA daher nicht empfohlen! (Die Hersteller von Femibion und DHA-Kapseln für Nichtschwangere behaupten natürlich etwas anderes, aber come on...) Hier zum Beispiel der Warnhinweis von ärztlicher Seite: http://www.mayoclinic.org/drugs-supplements/omega-3-fatty-acids-fish-oil-alpha-linolenic-acid/safety/hrb-20059372
Dass der Stoffwechsel gegen Ende der Schwangerschaft generell von einer zunehmenden Insulinresistenz gekennzeichnet ist, ist außerdem eine gesicherte und akzeptierte Erkenntnis unter Gynäkologen und Diabetologen. Nur: "Ein gesunder Stoffwechsel kann diese Insulinresistenz auffangen, ohne dass die Blutzuckerwerte steigen." Wenn die Blutzuckerwerte steigen, muss mit dem Stoffwechsel der Schwangeren etwas nicht in Ordnung sein - Schwangerschaftsdiabetes. Dass diese Diagnose immer häufiger gestellt werden muss, erklärt man durch den ungesunden Lebensstil heutzutage.
Nur: Wieso bringt niemand die beiden Erkenntnisse zusammen, dass Schwangerschaft mit Insulinresistenz einhergeht, Menschen mit Insulinresistenz aber keine Omega-3-Fettsäuren (als Nahrungsergänzuntsmittel) zu sich nehmen sollten, weil das die Blutzuckerwerte erhöht? Vielleicht wird die Diagnose Schwangerschaftsdiabetes deshalb immer häufiger gestellt, weil immer mehr Schwangere Nahrungsergänzungsmittel einnehmen - die ihre Blutglukose nach oben treiben?
So kann man sich wirklich auch Probleme künstlich erschaffen, die dann wieder mit hohem diagnostischen und medizinischen Aufwand kontrolliert und behoben werden müssen.
Eine Studie über diesen Zusammenhang fände ich einmal wichtig. Aber da die meisten medizinischen Studien von Pharmaunternehmen bezahlt werden, dürfte es lange dauern, bis diese Studie eine Finanzierung findet...
Ich esse jetzt statt täglich zwei Kapseln Femibion lieber weiterhin frisches Obst und Gemüse, zusätzlich das, worauf ich Lust habe (von Süßigkeiten bis Pasta), und bin tierisch erleichtert, den Rest der Schwangerschaft genießen zu können. Vor allem aber hatte ich Angst vor Konsequenzen während und nach der Entbindung - von der Einleitung am ET bis zum Kaiserschnitt und dem 3 Tage langen Blutzuckermonitoring des Babys. Diese Angst brauche ich nun nicht mehr zu haben für die restlichen Wochen. Vielleicht hilft meine Recherche ja auch anderen in einer ähnlichen Situation.
Wie gesagt: Ich behaupte nicht, dass es diese Krankheit nicht gibt - aber wohl doch seltener als sie diagnostiziert wird. Und ich finde, man muss sich nicht kränker machen (lassen), als man ist!