Hier meine liebsten:
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Es weht der Wind ein Blatt vom Baum,
von vielen Blättern eines.
Das eine Blatt, man merkt es kaum,
denn eines ist ja keines.
Doch dieses Blatt allein
bestimmt kurz unser Leben.
Drum wird dieses Blatt allein,
ein Leben lang uns fehlen.
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Wie wäre ein Winter zu ertragen,
ohne Hoffnung auf den Frühling,
wie ein Abschied auszuhalten,
ohne Hoffnung auf ein Wiedersehen?
Nur die Hoffnung, daß es immer wieder hell wird,
läßt uns die langen, finsteren Nächte durchstehen
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Die Geschichte von der traurigen Traurigkeit:
Es war einmal eine kleine Frau, die einen staubigen Feldweg entlanglief. Sie war offenbar schon sehr alt, doch ihr Gang war leicht und ihr Lächeln hatte den frischen Glanz eines unbekümmerten Mädchens.
Bei einer zusammengekauerten Gestalt, die am Wegesrand saß, blieb sie stehen und sah hinunter.
Das Wesen, das da im Staub des Weges saß, schien fast körperlos. Es erinnerte an eine graue Decke mit menschlichen Konturen.
Die kleine Frau beugte sich zu der Gestalt hinunter und fragte: Wer bist du?
Zwei fast leblose Augen blickten müde auf. Ich? Ich bin die Traurigkeit, flüsterte die Stimme stockend und so leise, dass sie kaum zu hören war.
Ach die Traurigkeit! rief die kleine Frau erfreut aus, als würde sie eine alte Bekannte begrüßen.
Du kennst mich? fragte die Traurigkeit misstrauisch.
Natürlich kenne ich dich! Immer wieder einmal hast du mich ein Stück des Weges begleitet.
Ja aber, argwöhnte die Traurigkeit, warum flüchtest du dann nicht vor mir? Hast du denn keine Angst?
Warum sollte ich vor dir davonlaufen, meine Liebe? Du weißt doch selbst nur zu gut, dass du jeden Flüchtigen einholst. Aber, was ich dich fragen will: Warum siehst du so mutlos aus?
Ich, ich bin traurig, sagte die graue Gestalt.
Die kleine, alte Frau setzte sich zu ihr. Traurig bist du also, sagte sie und nickte verständnisvoll mit dem Kopf. Erzähl mir doch, was dich so bedrückt.
Die Traurigkeit seufzte tief.
Ach, weißt du, begann sie zögernd und auch verwundert darüber, dass ihr tatsächlich jemand zuhören wollte, es ist so, dass mich einfach niemand mag. Es ist nun mal meine Bestimmung, unter die Menschen zu gehen und für eine gewisse Zeit bei ihnen zu verweilen. Aber wenn ich zu ihnen komme, schrecken sie zurück. Sie fürchten sich vor mir und meiden mich wie die Pest.
Die Traurigkeit schluckte schwer.
Sie haben Sätze erfunden, mit denen sie mich bannen wollen. Sie sagen: Papperlapapp, das Leben ist heiter. und ihr falsches Lachen führt zu Magenkrämpfen und Atemnot. Sie sagen: Gelobt sei, was hart macht. und dann bekommen sie Herzschmerzen. Sie sagen: Man muss sich nur zusammenreißen. und sie spüren das Reißen in den Schultern und im Rücken. Sie sagen: Nur Schwächlinge weinen. und die aufgestauten Tränen sprengen fast ihre Köpfe. Oder aber sie betäuben sich mit Alkohol und Drogen, damit sie mich nicht fühlen müssen.
Oh ja, bestätigte die alte Frau, solche Menschen sind mir auch schon oft begegnet
Die Traurigkeit sank noch ein wenig mehr in sich zusammen. Und dabei will ich den Menschen doch nur helfen. Wenn ich ganz nah bei ihnen bin, können sie sich selbst begegnen. Ich helfe ihnen, ein Nest zu bauen, um ihre Wunden zu pflegen. Wer traurig ist hat eine besonders dünne Haut. Manches Leid bricht wieder auf wie eine schlecht verheilte Wunde und das tut sehr weh. Aber nur, wer die Trauer zulässt und all die ungeweinten Tränen weint, kann seine Wunden wirklich heilen. Doch die Menschen wollen gar nicht, dass ich ihnen dabei helfe. Stattdessen schminken sie sich ein grelles Lachen über ihre Narben. Oder sie legen sich einen dicken Panzer aus Bitterkeit zu.
Die Traurigkeit schwieg. Ihr Weinen war erst schwach, dann stärker und schließlich ganz verzweifelt. Die kleine, alte Frau nahm die zusammengesunkene Gestalt tröstend in ihre Arme. Wie weich und sanft sie sich anfühlt, dachte sie und streichelte zärtlich das zitternde Bündel.
Weine nur, Traurigkeit, flüsterte sie liebevoll, ruh dich aus, damit du wieder Kraft sammeln kannst. Du sollst von nun an nicht mehr alleine wandern. Ich werde dich begleiten, damit die Mutlosigkeit nicht noch mehr Macht gewinnt.
Die Traurigkeit hörte auf zu weinen. Sie richtete sich auf und betrachtete erstaunt ihre neue Gefährtin:
Aber, aber wer bist eigentlich du?
Ich? sagte die kleine, alte Frau schmunzelnd. Ich bin die Hoffnung.
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Der liebe Gott ging seiner täglichen Arbeit
nach und schickte neue Kinder auf die Welt.
Ein Engel half ihm bei der Auswahl und der
liebe Gott wählte sehr sorgfältig aus,
welche Kinder zu welchen Eltern passten.
Gott: " Zur Frau Müller schicke ich den
Buben, der ist sehr lebendig und Frau Müller
hat nicht viel Geduld. Das wird sie lernen
müssen. Beide werden in diesem Leben lernen
Ruhe füreinander zu finden, auch wenn es
nicht immer einfach wird.
Er wählte noch einige Kinder aus für die
passenden Eltern.
Aber dann kammen wohl wir an der Reihe:
"Und diese Familie bekommt dieses
Sternenkind"
Der Engel sprach verwundert: " Aber
lieber Gott, warum denn diese Familie sie
sind doch so glücklich und so gute
Menschen"
Gott: " Ja das sind sie, aber genau
deswegen bekommen sie dieses gesegnete Kind.
Sie lieben Ihre Kinder über alles und sie
werden auch dieses Kind lieben in ihrem
Herzen. Eben diese Menschen können ein Kind
bis in die Jenseitswelt hinaus unendlich
lieben! Deshalb habe ich sie
auserwählt." Engel: " Aber was ist, wenn sie
verzweifeln, werden sie es überhaupt
verkraften können ? "
Gott: " Ich werde Ihnen die nötige
Kraft und Zuversicht geben! Sie werden anfangs zwar
sehr verzweifelt sein und sehr viel weinen,
aber sie werden lernen, dass man Dinge im
Leben nicht beeinflussen kann und manche
Dinge in Ihrem Leben noch nicht zu verstehen
sind. Sie werden es annehmen und damit leben
können. Im Gegenteil, sie werden fühlen was
es für ein Glück ist um ihre vorhandenen
Kinder oder die die noch kommen werden. Sie
werden sehr bewußt jeden Tag auskosten mit
Ihren Kindern und jede Minute des Lebens mit
Glück und Liebe erfüllen."
Engel: " Aber lieber Gott, was ist wenn
sie Ihren Glauben an dich verliehren in
dieser Not?"
Gott: " Vielleicht werden sie auf mich
wütend sein, vielleicht werden sie eine
zeitlang sogar mich dafür hassen, aber mit
der Zeit werden sie Ihren Glauben stärken."
Engel: "Aber wodurch denn?"
Gott: " Sie werden merken, dass ich
ihnen ihr Kind nicht weggenommen habe, sie
werden ihr Kind spüren und fühlen. Sie
bekommen einen kleinen Einblick in die
Jenseitswelt und werden mit Ihr sehr innig
verbunden sein, weil sie dort jemanden
haben, denn sie so sehr lieben. Sie werden wissen,
dass ihr Kind trotzdem bei ihnen ist und sie
besonders gut beschützt. Sie werden dafür
kleine Zeichen bekommen und sie werden eines
Tages ein besonderes Geschenk bekommen von
mir für ihren Verlust"
Der Engel fragt ganz neugierig: "
Lieber Gott, welches Geschenk denn?"
Gott: " Wenn es Zeit wird für die
Eltern und ich sie zu mir holen werde, dann wird
ihr Sternenkind das erste sein, was sie sehen.
Sie werden dann zusammen alle Zeit der Welt
haben, um das nachzuholen, was ihnen in der
Menschenwelt genohmen worden ist. Sie werden
diese Zeit ausleben und geniesen ohne Streß,
ohne Krankheit, ohne Verpflichtungen. Es
wird dann nur noch die Eltern und das Sternenkind
geben und sie werden so glücklich sein, wie
nie zuvor. Während andere verstorbene Eltern
die keine Sternenkinder haben sich noch
lange gedulden müssen, bis sie eins ihrer Kinder
in die Arme schließen können. Und irgendwann
folgen auch die Geschwister und dann ist die
Familie für immer vereint."
Engel: "Ja das ist ein wundervolles
Geschenk, die Familie ist für ein Sternenkind sehr geeignet.
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***STERNENKINDER***
Sind die Glückskinder, die die Erde überspringen dürfen um dort hinzugelangen, wofür wir einen harten, weiten Weg gehen müssen.
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Sternenglanz in klarer Nacht
entflammt den Schmerz mit neuer Macht,
bringt die Erinnerung zurück
an dieses viel zu kurze Glück.
Was würde ich nicht alles geben,
brächte es zurück Dein Leben...
Warum nur Du? Werd's nie verstehen!
Ach, könnte ich Dich wiedersehen...
Der Wind weht leise über's Land,
streift mein Gesicht und meine Hand.
Ist dieser Wind ein Gruß von Dir?
Willst Du die Tränen trocknen mir?
Sternenglanz in klarer Nacht
hat neue Hoffnung auch entfacht,
wenn jetzt auch meine Seele weint -
irgendwann sind wir vereint
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Für alle Sterneneltern:
Sterneneltern heißen wir,
denn unser Kind verloren wir.
Viel zu früh ist es gegangen,
kaum das sein Leben angefangen...
Wie alt es war? Das ist nicht wichtig!
Wie groß, wie schwer - auch das ist nichtig!
Es war unser geliebtes Kind
und bleibt's, bis wir gegangen sind...
Wißt, wir spüren stets die Schmerzen.
Die Wunde klafft in unseren Herzen.
Drum sagt nichts von den schlimmen Dingen,
die dolchstoßgleich in's Herz uns dringen:
"Warum jammert ihr denn so?
Es war doch nur ein Embryo!
Wer weiß, wozu es gut gewesen,
das es Euch verließ - dies' Wesen...
Ihr seid noch jung, könnt andre haben
und Euch an Kinderlachen laben!
So lang' ist's her, seit es geschehen -
Ihr müßt nun endlich vorwärts sehen..."
Schweigt lieber, statt sowas zu sagen.
Das hilft uns nicht in Tausend Tagen,
auch wenn es von Euch gut gedacht,
weil Ihr Euch um uns Sorgen macht...
Glaubt uns, könnt Ihr's auch nicht ermessen -
wir werden es niemals vergessen!
Es totzuschweigen schmerzt uns sehr,
vergrößert unser Leid noch mehr...
Wollt Ihr uns echte Hilfe bringen,
laßt seinen Namen hell erklingen!
Laßt uns reden, helft uns trauern,
reißt mit uns ein die Schweigemauern..
Still, seid leise,
es war ein Engel auf der Reise.
Er wollte ganz kurz bei Euch sein,
warum er ging, weiß Gott allein.
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Er kam von Gott, dort ist er wieder.
Er sollte nicht auf unsre Erde nieder.
Ein Hauch nur bleibt von ihm zurück.
In Eurem Herz ein großes Stück.
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Er wird für immer bei Euch sein
vergesst ihn nicht, er war so klein.
Geht nun ein Wind an mildem Tag,
so denkt: Es war sein Flügelschlag.
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Und wenn Ihr fragt: Wo mag er sein?
So wisst: Engel sind niemals allein.
Er kann jetzt alle Farben sehn,
und barfuß durch die Wolken geh'n
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Bestimmt lässt er sich hin und wieder
bei anderen Engelkindern nieder.
Und wenn Ihr ihn auch sehr vermisst
und weint, weil er nicht mehr bei Euch ist,
so denkt: Im Himmel, wo es ihn nun gibt
erzählt er stolz: Ich werde geliebt!
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