Eigentlich hat alles am Samstag, den 23.07. angefangen. Ich war bereits drei Tage über dem Termin, mein Gynäkologe hatte mir am 21.07. wenig Mut gemacht (Muttermund verschlossen, lediglich weich), so dass ich mich am Samstag zum CTG im Krankenhaus einfinden musste. An diesem Tag war anscheinend die Hölle los. Wir waren nachmittags da und da hatte es wohl schon acht Geburten gegeben. Entsprechend wenig greifbar waren Ärzte und Hebammen. Ich wurde von einer Hebammenschülerin ans CTG angeschlossen und nach langer Wartezeit schaute sich dann eine Ärztin das Fruchtwasser an (wenig, aber noch in der unteren Norm). Die Ärztin vermaß auch noch mal das Kind und kam auf ein Schätzgewicht von 3,7 kg. Den folgenden Sonntag machte ich mir ziemliche Sorgen. Die Geburt war nicht in Sicht. Bei ET+7 wäre ich sowieso eingeleitet worden und ich wusste, dass die Aushilfsärztin in der Klinik bei einem Wert etwas gemessen hatte, was bei dem großen Ultraschall zur Besprechung der spontanen Geburt aus Beckenendlage schon größer gemessen wurde. Ich selber hatte kein Vertrauen in diese Ultraschallberechnungen, aber in mir kam die massive Angst hoch, dass wir am Mittwoch zur Einleitung gehen würden und dann würden sie die Kleine auf größer als 3,8 kg schätzen. Das war nämlich die Höchstgrenze, bis zu derer sie mich im Krankenhaus hätten spontan aus Beckenendlage entbinden lassen.
Ich rief also Sonntag Abend im Krankenhaus an und schilderte meine Befürchtungen. Die Hebamme versuchte mich zu beruhigen, dass in dieser Zeit die Kinder ja nicht mehr so wachsen würden. Das war mir schon klar, aber mir war auch klar, dass zwei Ärzte durchaus komplett unterschiedlich messen können. Wir hatten in der 30. SSW ein 45% Perzentil und zwei Wochen später 85% mit dem gleichen Gerät gemessen. Die Hebamme sagte mir also, dass ich doch am Montag einfach kommen sollte und dann würde das ein Arzt entscheiden. Wir sind Montag früh wieder ins Krankenhaus gefahren und machten das übliche Prozedere mit (CTG, kurzes Arztgespräch) und die Ärztin stimmte zu, dass mit der Einleitung begonnen werden könnte. Ich bekam also wieder ein CTG und danach eine Viertel Tablette Zytotec. Diese sollte ich dreimal pro Tag bekommen. Man sagte mir, dass die Einleitung bis zu drei Tagen versucht werde und dann noch einen Tag mit Wehentropf. Dies hätte eine Erfolgswahrscheinlichkeit von 90%. Es folgten wieder ewige CTGs (15 Minuten vor Einnahme und 45 Minuten nach Einnahme). Auf dem ersten CTG nach der ersten Tablette waren die ersten Wehen meines Lebens zu sehen (sie gingen bis max. 40). Innerlich feierte ich. Die Wehen waren nicht schmerzhaft, aber ich spürte sie. Beim ersten CTG waren sie unregelmäßig, so alle 10 Minuten. Drei Stunden später, es war so ca. 17 Uhr kam die nächste Pille mit dem üblichen Prozedere. Innerlich war ich total entspannt, ich freute mich über die beginnenden Wehen, nahm fest an, dass es wohl noch sehr lange dauern würde und konnte mir einfach nicht vorstellen, dass ein solcher Krümel von einer Tablette etwas bewirken würde. Beim nächsten CTG waren dann aber schon etwas regelmäßigere und stärkere Wehen (so bis 60) auf dem CTG. Als schmerzhaft nahm ich diese in keinster Weise wahr, was die Hebamme schon ein bisschen wunderte. Ich hatte dann die Wahl, ob ich um 9 Uhr noch eine schlucken wollte oder erst am nächsten Tag.
Ich wollte und kam dann um 23 Uhr wieder zum CTG. Dieses Mal mit ein bisschen deutlicheren und schmerzhafteren Wehen. Das CTG zeigte aber quasi nichts mehr an, es war nämlich ein anderes (ziemlich altes Gerät). Ich war mir aber sicher, dass die Wehen stärker und auch viel regelmäßiger (so alle drei Minuten da waren). Die Hebamme guckte dann einmal nach dem Muttermund, der war fingerdurchlässig und sie fingerte ein bisschen rum, so dass ich daraufhin ein kleines bisschen braunes Blut im Slip hatte. Danach gab sie mir Buscopan-Zäpfchen und noch etwas zum entkrampfen, weil eigentlich nicht geplant war, dass die Geburt direkt los geht in der Nacht. Ich sollte mich ausruhen und schlafen. Ich bin also zurück in mein Zimmer gegangen, habe mir das Zäpfchen eingeschoben und gewartet, dass die Wehen irgendwie weniger würden. Aber sie wurden, im Gegenteil immer heftiger und so sagte ich meinem Mann am Telefon kurz Bescheid, dass ich noch mal nach oben gehen würde. Ich wurde also noch mal ans CTG gehängt und als ich davon aufstand, platzte mir die Fruchtblase. Ich hatte zuvor auf der Liege schon so ein Knacken gehört und hatte einen Verdacht, als ich dann aber stand kam ein riesiger Schwall, der ziemlich stark verschmutzt war. Ich blieb so stehen und wartete, dass die Hebamme zurückkam, sie kam zurück, wischte auf und schloss mich wieder ans CTG an. Sie bestätigte meinen Verdacht, dass sie reichlich Mekonium im Fruchtwasser befindet, was aber wohl normal wäre, weil sie ja mit dem Becken direkt auf dem Mumu liegt. Ich ging noch einmal nach unten in mein Zimmer, rief meinen Mann an und sagte ihm, er solle besser kommen, wenn er nichts verpassen will und ging zurück in das Zimmer (es war ein Badezimmer mit furchtbar ungemütlicher Liege, aber Badewanne).
Um ca. 1 Uhr war mein Mann da und ich war schon heftigst am Wehen veratmen. Die Wehen kamen alle zwei Minuten. Die Hebamme lobte mich immer, dass ich super atmen würde und als mein Mann da war, durfte ich dann in die Wanne. Das war angenehm und ich blieb dort für etwa 2 Stunden. Nach der Wanne zog ich dann in den Kreißsaal um. Ich konnte nicht mehr auf dem Rücken liegen, beim Gehen oder sprechen musste ich immer Pausen machen, sobald eine Wehe kam und ich konnte es überhaupt nicht leiden, dass man mich während der Wehe anfasste. Mein Mann hielt sich sehr im Hintergrund, was ich angenehm empfand, ich wollte nicht sprechen und konzentrierte mich sehr auf meine Atmung. Im Kreißsaal am CTG lehnte ich mich dann über das Bett und biss bei jeder Wehe in die Matratze. Die Wehen waren heftig und es gab kaum Erholung.
Um 5 Uhr guckte die Hebi noch mal nach meinem MuMu. Er war bei 4 Zentimeter, was angesichts der Heftigkeit der Wehen wohl wenig war. Die Hebi fragte mich, ob ich eine PDA oder Spritzen haben möchte, weil sie sagte, dass ich diese Heftigkeit nicht bis zum Ende aushalten würde und es noch dauert. Ich entschied mich sofort für die PDA und der Anästhesist wurde gerufen. Das Legen der PDA klappte problemlos, es war eine Wohltat, als sie richtig saß und mit einiger Konzentration schaffte ich es auch mich beim Stechen nicht zu bewegen. Als die Schmerzen durch die PDA weg waren, war ich selig und merkte, wie erschöpft ich war, denn ich schlief für ca. 2 Stunden ein.
Passend zum Schichtwechsel, wachte ich um 7 Uhr auf, verabschiedete die Hebamme Claudia und begrüßte Regina, eine ältere aber sehr erfahrene und mütterliche Hebamme. Mein Muttermund war während meines Nickerchens auf 9 Zentimeter aufgegangen. Mit Regina begann nun wieder das Atmen, ich spürte die Wehen kaum, sie waren durch die PDA auch super unregelmäßig geworden, so dass ich Probleme hatte im richtigen Moment nach unten zu atmen und so das Kind ins Becken zu schieben. Nur wenn ich es mit der Hebi machen konnte, klappte es gut. Wir probierten eine Menge Positionen aus, ich verlor so ungefähr alle Körpersäfte, die in mir waren. Meinen Mann setzte ich irgendwann um im Kreißsaal, so dass er keinen Blick mehr auf diese Vorgänge hatte. Ich verlor um es so drastisch zu sagen jede Menge dunklen Schleim von dem Schleimpfropf, viel zu viel Stuhl meiner Kleinen und eigenen Stuhl. Dazu wurde meine Blase ab und an von Regina mit dem Katheter entleert. Bestimmt alles kein schöner Anblick, mir war das aber alles total egal in dem Moment. Ich wurde schließlich an den Wehentropf gehängt, weil meine Kleine noch immer keine Anstalten machte sich ins Becken zu bewegen, aber der richtete kaum etwas aus. Die Wehen waren unregelmäßig und zu schwach. Einen letzten Hoffnungsschimmer gab es, als mein Muttermund mit einer Wehe völlig verstrichen und offen war und ich mit Regina in die Turnübungen eintrat. Wir probierten alles aus, von der Hocke, über Beine im Gynstuhl, über Vierfüßlerstand etc. lediglich in der Hocke hatte Regina Hoffnung, dass es noch etwas wird. Um mir Mut zu machen ließ sie mich den Po der Kleinen anfassen. Das war völlig abgefahren. Ich merkte aber schon instinktiv, dass dies wohl das Ende werden würde.
Es war halb elf als die Oberärztin zu uns kam und selber noch mal nachschaute. Sie und die Hebamme lobten mich für mein gutes Durchhaltevermögen und sagten mir, dass es wohl Zeit würde für einen Kaiserschnitt. Ich stimmte dem sofort zu, ich hatte es ca. eine halbe Stunde lang schon gespürt. Als es dann aber klar war, fing ich an zu weinen, wie wild. Ich war so erschöpft und so traurig, dass es eben nicht sein sollte mit der natürlichen Geburt. Nachdem ich alle Möglichkeiten, wirklich alle (von jeden Tag schwimmen, Yoga, indische Brücke, Moxen, äußere Wendung und eben Spontangeburt aus BEL nach Einleitung) ausprobiert hatte, sollte es nun doch eine Sectio werden. Mein Mann versuchte mich zu trösten, aber ich sagte ihm: Bitte lass mich doch einfach einmal traurig sein und ich weinte und weinte.
Als ich mich gefangen hatte, wurde ich auch schon OP-fertig gemacht. Die PDA wurde nachgespritzt, ich wurde in den OP gebracht und dann wartete man ca 20 Minuten, bis ich die heiß-kalt Tests alle bestanden hatte. Nach kurzer Zeit war meine Maus dann geboren. Ich spürte es ziemlich heftig am Bauch ruckeln, was aber nicht schmerzhaft war und dann hörte ich es zweimal schreien. Man hatte mir gesagt, dass die Kleine direkt bei uns im OP bleiben könnte und danach direkt mit in den Kreißsaal käme, aber ich sah jemanden mit dem Baby an meinem Kopf vorbeigehen. Dieser Arzt blieb erst kurz stehen, als Regina ihm sagte, er möge das Baby bitte kurz den Eltern zeigen. Ich kapierte überhaupt nicht, was los war. Ich begrüßte die Kleine kurz, sagte zu meinem Mann: das ist unser Baby und dann wurde sie weg gebracht. Ich verstand nicht, was da passierte, war aber ruhig. Ich empfand das Absaugen und Entrümpeln meiner Gebärmutter plötzlich als sehr schmerzhaft und so wurde die PDA nachgespritzt und mir noch etwas extra gegeben. Wirklich kapieren konnte ich so natürlich nichts mehr.
Mein Mann war dann kurz nebenan bei der Kleinen und als er zurückkam, sagte er mir, dass es ihr nicht gut ginge, dass sie ganz viel Schleim in der Lunge hat und dass das Absaugen nicht so effektiv war, wie gewünscht. Sie hatten die Kleine nach dem Absaugen sofort mit auf die Kinderintensivstation genommen. Mir entzog es in dem Moment den Boden unter den Füßen. Nicht auch das noch, dachte ich mir. Womit hatten wir das verdient? War ich schuld, weil ich unbedingt diese Spontangeburt wollte und was war denn nicht mit ihr in Ordnung? Wieso konnten wir nicht zusammen sein? War es nicht die reinste Katastrophe, dass wir nun nicht bonden konnten, dass ich sie nicht anlegen konnte? Als ich zugenäht war (es war nun etwa 12 Uhr), wurde ich zurück in den Kreißsaal geschoben, verkabelt zur Überwachung und war von den ganzen Medis völlig benebelt. Halb schlief ich, halb war ich wach. Ich wusste nicht, was vor sich ging. Ich bekam etwas zu essen und schließlich kam Regina und sagte mir noch mal Bescheid, dass die Kleine Probleme beim Atmen hat, weil sie furchtbar viel von dem schmutzigen Fruchtwasser geschluckt hatte und dass sie nun überwacht werden müsste, ob sie auch genug Sauerstoff bekäme. Ich fragte, ob nicht wenigstens mein Mann zu ihr könnte und ja er konnte. Er ging rüber in die Neonatologie und kam zurück. Er sagte mir, dass es ihr soweit gut gehen würde, sie hätte 4100g und wäre 56cm lang.
Um 15 Uhr wurde ich dann mit meinem Bett in die Neonatologie geschoben und ich durfte die Kleine das erste Mal auf die Brust nehmen. Sie sah ganz normal aus, natürlich wunderschön und ich war sehr gerührt. Sie hatte ein EKG und einen Sauerstoffüberwachungsknopf an sich und einen Zugang über welchen sie Glukose bekommen hatte. Ich durfte sie schon anlegen und sie nuckelte ganz fleißig. Leider musste sie dann noch 2 Tage auf der Kinderintensiv bleiben. Die erste Nacht hat sie sich quasi komplett übergeben und alles ausgekotzt, was da noch so an Fruchtwasser im Bauch war und dann wollte sie nicht essen, weshalb man sich wieder Sorgen machte. Ich hatte allerdings vollstes Verständnis für meine Kleine, schließlich war ihr noch schlecht und angesichts ihres stolzen Gewichts fand ich es auch mehr als überflüssig ihr Nahrung einzuzwängen oder gar sie über eine Sonde ernähren zu lassen. Als die Ärztin mit diesem Ansinnen kam, habe ich es vehement abgelehnt. Noch keine 24 Stunden auf der Welt, so waren meine Worte, braucht man ein 4kg Baby doch nicht sondieren. Zum Glück konnten wir uns damit durchsetzen. Ziemlich genau 48 Stunden nach der Geburt, wurde die Kleine dann endlich zu mir gebracht und wir haben die erste gemeinsame Nacht miteinander verbracht.
Die Verarbeitung der Geburt wird wohl noch etwas Zeit in Anspruch nehmen. Heute vor genau einer Woche kam sie zur Welt. In dieser Woche ist so viel passiert, wie noch nie in meinem Leben. Langsam traue ich mich über alles nachzudenken und es aufzuarbeiten. Manchmal kann ich nur noch weinen, wenn ich meine kleine, zufriedene Maus ansehe, sie völlig zufrieden vor sich hinlächelt und ich mir dann denke: du arme kleine Maus, du warst frisch auf der Welt und schon völlig allein. Ich konnte mich nicht gleich um dich kümmern und trotzdem bist du nun so zufrieden. Was bist du nur für ein Wunder!