Es ist seltsam, wie wenig offizielle Informationen es zu dem Thema "Eingeleitete Fehlgeburt" gibt. Trotz umfangreicher Internetrecherche habe ich die wichtigsten Infos lediglich aus einzelnen Fetzen der hunderten von persönlichen Erfahrungsberichten anderer Frauen herausgezogen. Vielleicht wird auch dieser Bericht der ein oder anderen Frau helfen können, die sich in gleicher oder zumindest ähnlicher Situation wieder findet, zwischen den gleichen Entscheidungen oder einfach nur vor großen Fragezeichen steht wie ich stand.
Im letzten Jahr erlitt ich in meiner ersten Schwangerschaft in der 6. SSW eine Missed Abortion, die erst in der 8. Woche festgestellt wurde. Der Schock saß tief, das Wissen war gering, die Hörigkeit vor Ärzten dagegen hoch. Ich wollte nicht mit etwas Totem in meinem Körper herumlaufen und so ließ ich mich schnell auf eine Ausschabung in einer Tagesklinik ein. Durchgeführt von einer FÄ, die ich zwar ganz sympathisch fand, von der ich aber überhaupt nichts wusste und bei der ich vorher nie gewesen war. Als ich in den OP kam, fing ich an zu weinen. Die kalten Kacheln, die Frauen in den grünen Kitteln, das alles fühlte sich nicht richtig an. Unmittelbar, bevor die Narkose gesetzt wurde, liefen mir Tränen über die Wangen, dann schlief ich sofort ein. Ich wachte auf von meinem eigenen Geschrei vor Krämpfen. Dabei war die OP schon vorbei und ich lag im Aufwachraum. Die Schwestern meinten, das sei ungewöhnlich und wahrscheinlich psychisch, doch heute glaube ich, war das die Cytotec, die ich vor der OP einnehmen musste und verspätet jene starken Krämpfe auslöste. Das dauerte nur wenige Minuten, dann war alles vorbei und ich war nur gerädert. Die nächste Periode kam nach etwa fünf Wochen und alles fühlte sich zumindest körperlich ok an. Nach über einem halben Jahr wurde ich wieder schwanger. Auch hier wurde Anfang der 8. SSW festgestellt, dass die Entwicklung eher der 6. SSW entsprechen würde. Nach Blutabnahmen im 48-Stunden-Takt war nach einer Woche klar, dass es vorbei war. Ich war diesmal gefasster und vorbereiteter. Ich erlaubte mir keine Trauer, sondern appellierte an meine Vernunft, nun pragmatisch an die Sache heranzugehen. Schließlich musste die Sache ja irgendwie über die Bühne gebracht werden und das ohne Einschränkungen für künftige erfolgreiche Schwangerschaften und Geburten. Fünf verschiedene Ärzte rieten mir zu einer Ausschabung, doch das wollte ich nicht. Nicht innerhalb eines Jahres zum zweiten Mal, nicht vor dem ersten Kind. Ich hatte es diesmal nicht eilig, denn ich betrachtete den Zustand nüchtern als eine fruchtlose Zellansammlung und nicht als totes Baby in meinem Bauch. Aber so mancher Arzt war anderer Meinung und teilte mir mit, ich sei verantwortungslos, könnte mir eine Blutvergiftung hinzuziehen, die Ausschabung müsste jetzt sofort (!) an Ort und Stelle gemacht werden, sonst ..... sonst was?. Ich war dieses Jahr eine andere und widerlegte die Angstmacherei mit fachlichen Argumenten zur Verwunderung und sofortigem Schweigen meines Gegenübers in weiß. Natürlich wollte ich diesen Zustand auch am liebsten beendet haben und nicht noch eventuelle vier Wochen warten bis Mutter Natur sich einschaltet. Ein medikamentöser Abbruch erschien mir daher am besten, aber hier stieß ich auf taube Ohren.
Ich war verwundert, wie viel bewusst oder unbewusst falsche Informationen mitgeteilt wurden, in jedem Falle mit einer Absolution mitgeteilt wurde, dass in diesem Stadion ich war mittlerweile in der 11. SSW auf keinen Fall alles abgehen würde und ich eh nach all diesen Qualen nochmal zur OP kommen müsste. Ich vereinbarte also einen OP-Termin im Krankenhaus und musste Standardformulare unterschreiben, dass Verwachsungen oder andere Komplikationen zu künftiger Unfruchtbarkeit führen könnten, selbst die Gebärmutter könnte im absoluten Extremfall während der OP entfernt werden. Das sei dem Oberarzt zwar noch nie passiert und er hätte davon auch noch nie gehört, aber unterschreiben müsste man das trotzdem. Ich unterschrieb. Und sagte die OP einen Tag später ab. Diese Entscheidung sollte ich nicht bereuen. Ich konnte mir Cytotec besorgen und leitete meine eigene Fehlgeburt ein. Wer direkte Worte und unverblümte Beschreibungen nicht vertragen kann, bitte aufhören zu lesen. Ich hatte keine Ahnung wie eine Fehlgeburt aussehen würde und worauf ich hätte achten sollen. Mir hätte es geholfen zu wissen, was auf mich zukommen kann.
20:00 Uhr: Ich nahm zwei Cytotec oral und zwei vaginal ein.
22:00 Uhr: Kopfschmerzen, leichte Krämpfe in der Bauchgegend.
00:00 Uhr: Die Krämpfe werden stärker.
04:00 Uhr: Das erste Blut tritt aus. Ich lege eine Binde ein.
05:00 Uhr: ich nehme weitere zwei Cytotec vaginal ein. Immer wieder stärker werdende Krämpfe.
12:00 Uhr: Die Blutungen werden stärker, die Schmerzen auch. Ich kauere auf dem Boden im Badezimmer, stöhne und wimmere. Es wird so schlimm, dass ich realisiere, dass das Wehen sein müssen. Ich setze mich auf die Toilette, da ich immer stärker blute. Ohne Unterbrechung spüre ich Wehen und als ich glaube, das nicht mehr aushalten zu können, plumpst unvermittelt ein Stück aus mir heraus. Es sah aus wie ein großes Stück glitschige Leber. Später sollte ich erfahren, dass das die Fruchthöhle war. Just in diesem Moment sind auch die Schmerzen weg. K.o.m.p.l.e.t.t. weg.
13:00 Uhr: Ich hab hier und da noch ein Ziehen, habe aber keine Schmerzen. Ich nehme zwei weitere Cytotec ein. Bis zum nächsten Tag bekomme ich wieder Krämpfe, aber bei weitem nicht so schlimm wie am Tag zuvor. Was ich noch nicht checke, es sind quasi die Nachwehen. Um 09:00 Uhr kommt ein ca. 8 cm großes Stück Gewebe heraus, welches wie Fleisch aussieht: der Mutterkuchen.
Da es die zweite Fehlgeburt innerhalb eines Jahres war, wollte ich das Material histologisch und genetisch untersuchen lassen. Durch bestimmte Vorbereitungen ist es mir gelungen, Fruchthöhle und Mutterkuchen sauber aufzufangen, in bestimmte Behälter umzufüllen und ins Labor zu bringen. Im Leben hätte ich nicht gedacht, zu so etwas in der Lage zu sein, aber es geht und ist wesentlich weniger schlimm oder kompliziert als angenommen.
Fazit: Die von mir selbst eingeleitete Fehlgeburt war nach nicht einmal zwei Tagen komplett ausgestanden. Nun blutet es nur noch nach. Am dritten Tag war ich beim Gyn und laut Ultraschall war nichts mehr zu sehen, so dass ich nicht die von vielen Ärzten prophezeite Trotzdem-Ausschabung machen musste. Ich bin als Frau so stolz auf mich, dass ich das körperlich alleine geschafft habe. Ich fühle mich stark und gleichzeitig sanft, weil nicht irgendjemand blind in mir geschabt hat und weil ich nicht Angst haben muss, dass dabei doch was schiefgegangen ist. Jede Frau sollte selbst entscheiden, was für sie und in welcher Situation das richtige ist. Informiert euch gründlich und wägt es ab ohne, euch von jemanden drängen zu lassen. Ihr schafft das.